Zwei Tage nach seiner Festnahme ist der Vize-Vorsitzende der islamistischen Ennahdha-Partei in Tunesien Regierungskritikern zufolge in einem lebensbedrohlichen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert worden. Der 63-jährige Noureddine Bhiri befinde sich „in einem lebensbedrohlichen Zustand“ und werde intensivmedizinisch in einem Krankenhaus in der nordtunesischen Stadt Bizerte behandelt, sagte sein Anwalt, der Abgeordnete Samir Dilou, der Nachrichtenagentur AFP.
Bhiri drohe „der Tod“, erklärte auch die regierungskritische Organisation Bürger gegen den Putsch im Onlinedienst Twitter. Staatschef Kaïs Saïed trage „die volle Verantwortung für das Leben von Herrn Bhiri“. Ennahda-Chef Rached Ghannouchi forderte von Saïed in einem offenen Brief genauere Angaben zu Bhiris Gesundheitszustand sowie Bhiris Freilassung.
Nach Angaben des Arztes Mondher Ounissi, der dem Ennahda-Exekutivbüro angehört, leidet Bhiri unter mehreren chronischen Krankheiten, darunter Diabetes und Bluthochdruck. Bhiri seien aber seine Medikamente verwehrt worden, und nun schwebe er in Lebensgefahr. Laut Ounissi muss Bhiri üblicherweise 16 Tabletten am Tag einnehmen. In Medienberichten hatte es zuvor geheißen, Bhiri habe aufgehört zu essen und seine Medikamente einzunehmen.
Bhiri war nach Angaben seines Anwalts Dilou am Freitag vor seinem Haus in der Hauptstadt Tunis von Männern in Zivil „brutal festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht“ worden. Ennahdha hatte in den vergangenen Jahren und bis zur Entmachtung von Regierung und Parlament Ende Juli durch Präsident Saïed großen Einfluss auf die tunesische Politik. Dem Präsidenten warfen die Islamisten einen Putsch vor.
Saïed hat für Dezember 2022 eine Neuwahl des Parlaments angesetzt. Bis dahin bleibt die Parlamentsarbeit ausgesetzt.
Im Oktober setzte der Staatschef zwar eine neue Regierung ein. Mit Najla Bouden hat das nordafrikanische Land zum ersten Mal eine Frau an der Regierungsspitze. Ihre Amtsvollmachten sind nach der Ausweitung der präsidialen Vollmachten durch Saïed aber begrenzt. Faktisch leitet der Präsident die Regierungsgeschäfte und hat auch das letzte Wort bei Kabinettsentscheidungen.
Mohamed Goumani von der Ennahdha-Partei beklagte nach Bhiris Festnahme „Einschüchterungen zur Abschreckung“ von Menschen, die sich Saïeds Machtübernahme widersetzten. Tunesien sei auf dem Weg in die Diktatur. Seine Partei werde „mit allen verfügbaren politischen Mitteln dagegen vorgehen“.