Ein entschlossener US-Präsident und ein ausweichender Kanzler

White House - Bild: White House/Adam Schultz
White House - Bild: White House/Adam Schultz

Wir werden dem ein Ende bereiten“: Mit deutlichen Worten hat US-Präsident Joe Biden Russland für den Fall eines Einmarsches in die Ukraine ein Aus für die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 angedroht. Die Botschaft richtete sich womöglich nicht nur an den russischen Präsidenten Wladimir Putin – sondern auch an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der direkt neben Biden im Weißen Haus stand.

Denn Scholz, der am Montag seinen Antrittsbesuch in Washington absolvierte, hat zwar immer wieder betont, der Westen werde bei einem russischen Angriff auf die Ukraine geschlossen harte Sanktionen gegen Moskau verhängen. Auf ein Aus für Nord Stream 2 hat er sich aber zumindest öffentlich nicht festnageln lassen.

Neue Debatten über ein umstrittenes Projekt

Mit dem massiven russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine und den Befürchtungen eines russischen Angriffs auf das Nachbarland ist die seit Jahren währende Debatte über Nord Stream 2 neu entbrannt. Die Ostsee-Pipeline ist hoch umstritten – und belastet auch das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA.

Die gut 1200 Kilometer lange Pipeline soll in weitaus größerem Umfang als bislang russisches Erdgas nach Deutschland bringen, und zwar unter Umgehung des Transitlandes Ukraine. Startpunkt ist die russische Ostseeküste westlich von St. Petersburg, Ziel ist Lubmin unweit von Greifswald.

Die gewaltige Pipeline, die aus zwei Leitungen besteht, wurde bereits fertig gestellt. Derzeit prüft die Bundesnetzagentur, ob alle rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb vorliegen. Eine Entscheidung wird für den Sommer erwartet.

Ein Projekt – unterschiedliche Interpretationen

Die Ukraine und mehrere EU-Länder wie Polen, Litauen und Lettland, aber auch die USA sehen die Gaspipeline als geopolitisches Instrument in den Händen des Kreml. Innerhalb der Bundesregierung gibt es unterschiedliche Positionen zu der Pipeline. Insbesondere die Grünen bewerten das Vorhaben kritisch, während der Koalitionspartner SPD eine Abkehr von dem Projekt bislang ablehnte.

Scholz bezeichnete die Pipeline noch im Dezember als rein „privatwirtschaftliches Vorhaben“, deutete dann aber eine Abkehr von dieser Haltung an. Der Kanzler hat allerdings bis heute nicht explizit gesagt, dass ein russischer Angriff auf die Ukraine zu einem Aus für Nord Stream 2 führen würde.

Er begründet dies damit, dass im Umgang mit Russland eine „strategische Ambiguität“ notwendig sei: Die Regierung in Moskau dürfe nicht wissen, welchen Preis sie für einen Einmarsch in die Ukraine zahlen müsste, das erhöhe die Abschreckung. Bei der Pressekonferenz mit Biden nannte Scholz die Pipeline nicht ein Mal beim Namen.

Nord Stream 2 als Zankapfel zwischen Berlin und Washington

Ganz unzweideutig äußerte sich dagegen Biden: Sollten russische „Panzer und Soldaten die Grenze zur Ukraine erneut überschreiten, dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Allerdings ließ der Präsident offen, wie er das konkret durchsetzen will, schließlich entscheiden nicht die USA über das deutsch-russische Projekt. „Ich verspreche Ihnen, wir werden in der Lage sein, das zu tun“, beteuerte Biden.

Möglich sind insbesondere neue Sanktionen gegen die Pipeline. Unter Bidens Vorgänger Donald Trump hatten die USA bereits Ende 2019 ein Sanktionsgesetz beschlossen, um eine Fertigstellung der Pipeline zu verhindern. Das führte aber nur zu einem vorübergehenden Baustopp.

Biden verzichtete dann im Mai 2021 auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG und deren deutschen Geschäftsführer, um das Verhältnis zu Deutschland nicht zu belasten. Im folgenden Juli erzielten Deutschland und die USA in dem Streit eine Einigung, die unter anderem vorsieht, dass der Gastransit durch die Ukraine langfristig vertraglich abgesichert wird.

Mitte Januar scheiterte ein Vorstoß der oppositionellen Republikaner im US-Senat, Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG durchzusetzen. Bidens Demokraten haben aber bereits einen Gesetzentwurf für solche Sanktionen im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine vorgestellt.

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