Hochschulpräsidentin mit deutsch-jüdischen Wurzeln als US-Vertreterin in Berlin

Amy Gutmann - Bild: Third Way Think Tank/CC BY-NC-ND 2.0
Amy Gutmann - Bild: Third Way Think Tank/CC BY-NC-ND 2.0

Für Amy Gutmann wird es eine ganz besondere und symbolträchtige Rückkehr zu ihren Wurzeln. Ihr deutsch-jüdischer Vater Kurt war 1934 aus Nazi-Deutschland geflohen und später von Indien aus in die USA emigriert. Gut sieben Monate nach ihrer Nominierung durch Präsident Joe Biden hat der Senat die 72-jährige Hochschulpräsidentin nun als neue Botschafterin der USA in Deutschland bestätigt. Die renommierte Politikwissenschaftlerin übernimmt damit als erste Frau überhaupt den US-Botschafterposten in Berlin.

Die Präsidentin der Elite-Hochschule University of Pennsylvania in der Ostküsten-Metropole Philadelphia hat immer wieder darüber gesprochen, wie die Geschichte ihres aus dem fränkischen Feuchtwangen stammenden Vaters sie geprägt hat. Der Student hatte seine vier Geschwister und die Eltern angesichts der zunehmenden Verfolgung von Juden zur Flucht aus Deutschland überredet.

„Es ist wahr, dass seine ganze Familie wie vom Erdboden verschluckt worden wäre, wenn er nichts getan hätte“, sagte Amy Gutmann 2013 der Zeitung „The Daily Pennsylvanian“.

Bei ihrer Bestätigungsanhörung vor dem Auswärtigen Ausschuss des Senats sagte Gutmann im Dezember, ihr Vater habe ihr „eingeflößt“, was es bedeute, als „Amerikaner zu führen“: „Nie zu vergessen und immer gegen Antisemitismus, Rassismus und alle Formen des Fanatismus und der Diskriminierung einzustehen, sich für Freiheit und Demokratie, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit, nationale Sicherheit und den Respekt der Würde aller einzusetzen.“

Geboren wurde Gutmann im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Sie studierte Politikwissenschaften in Harvard und an der London School of Economics und legte eine glänzende wissenschaftliche Karriere hin. Drei Jahrzehnte lang lehrte sie an der Elite-Universität Princeton, bevor sie 2004 Präsidentin der University of Pennsylvania – kurz UPenn – wurde, die wie Harvard und Princeton zur sogenannten Ivy League prestigereicher Unis im Nordosten der USA gehört.

Die blonde Politikprofessorin hat über Themen wie Demokratietheorie, Identitätspolitik, politische Ethik, Bildung und das Gesundheitswesen publiziert. 2009 ernannte der damalige US-Präsident Barack Obama sie zur Vorsitzenden einer Bioethik-Kommission. Das Magazin „Fortune“ kürte sie 2018 zu einer der „50 großartigsten Führungspersönlichkeiten der Welt“.

Im vergangenen Juli nominierte Präsident Biden Gutmann dann als Botschafterin in Deutschland. Anstelle eines raschen Umzugs nach Berlin folgte eine Hängepartie: Die oppositionellen Republikaner im Senat blockierten über Monate eine Bestätigung von Gutmann und anderen nominierten Botschafterinnen und Botschaftern. Hintergrund war insbesondere der Streit um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die russisches Gas nach Deutschland bringen soll.

Biden ist zwar ein Gegner der Pipeline, die in der derzeitigen Ukraine-Krise wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Er will das unter seinem Vorgänger Donald Trump gebeutelte Verhältnis zum wichtigen Bündnispartner Deutschland aber nicht mit Sanktionen erneut belasten. Auch Gutmann kritisierte Nord Stream 2 bei ihrer Senatsanhörung: Die Pipeline sei ein „schlechter Deal“ für Deutschland und „furchtbar“ für die Ukraine.

Die designierte Botschafterin, die mit dem Politik-Professor Michael Doyle verheiratet ist, hob gleichzeitig insbesondere die enge Partnerschaft zu Deutschland hervor. Diese will sie nun von der am Brandenburger Tor gelegenen US-Botschaft aus weiter vertiefen. Dort wird sie eine seit mehr als eineinhalb Jahren bestehende Leerstelle füllen: Der Posten ist seit dem Abgang des von Trump ernannten und umstrittenen Botschafters Richard Grenell im Sommer 2020 vakant.

Mit Gutmann dürfte zwar ein anderer Ton einkehren als unter Grenell, der sich mit forschen Forderungen in Berlin wenig beliebt machte. Doch die künftige Botschafterin dürfte ebenfalls deutlich machen, welche Erwartungen die Biden-Regierung hegt. Vor dem Senat kündigte sie unter anderem an, sie wolle die neue Bundesregierung auffordern, das Nato-Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erreichen.

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