Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat sämtliche Vorwürfe aus dem Münchner Missbrauchsskandal zurückgewiesen. „In keinem der Fälle, die das Gutachten untersucht, hatte Joseph Ratzinger Kenntnis von Taten oder vom Tatverdacht sexuellen Missbrauchs der Priester – das Gutachten präsentiert keine Beweise dafür, dass es sich anders verhält“, hieß es in einer am Dienstag vom Vatikan veröffentlichten Erklärung seiner persönlichen juristischen Berater.
In einem parallel veröffentlichten persönlichen Schreiben äußerte Benedikt zugleich Betroffenheit. Er könne „nur noch einmal meine tiefe Scham, meinen großen Schmerz und meine aufrichtige Bitte um Entschuldigung gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck bringen“. Er habe in der katholischen Kirche „große Verantwortung“ getragen. Umso größer sei sein „Schmerz über die Vergehen und Fehler“, die während seiner Amtszeiten geschehen seien.
Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch reagierte empört auf die Erklärung. „Das Statement des ehemaligen Papstes Benedikt reiht sich ein in die permanenten Relativierungen der Kirche in Sachen Missbrauch: Vergehen und Fehler seien geschehen, doch niemand übernimmt konkret Verantwortung.“ Stattdessen würden die wortreichen Erklärungen weitergehen.
„Joseph Ratzinger bringt es nicht über sich, einfach festzustellen, es tue ihm leid, nicht mehr zum Schutz der seiner Kirche anvertrauten Kinder getan zu haben – das wäre ein ehrlicher Satz“, erklärte der Eckige Tisch.
Das Schuldbekenntnis Ratzingers bleibe „relativ allgemein“ und „überzeugt leider nicht“, kritisierte auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. „Die Empathie gegenüber den Betroffenen fehlt“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwochsausgaben).
Hintergrund der Stellungnahme Benedikts ist ein im Januar veröffentlichtes Gutachten einer Anwaltskanzlei zum Umgang mit Missbrauchstaten im Erzbistum München und Freising, das Benedikt zwischen 1977 und 1982 als Erzbischof leitete. Darin werden der emeritierte Papst wie auch der heute amtierende Erzbischof Reinhard Marx schwer belastet.
Benedikt bestritt in seiner ursprünglichen Stellungnahme, 1980 an einer Sitzung teilgenommen zu haben, in der über die Aufnahme eines pädophilen Priesters im Bistum München entschieden worden war. Später ließ er aber einräumen, dass es sich um eine Falschaussage gehandelt hatte.
In seiner aktuellen Stellungnahme ließ Benedikt über seine Berater erklären, der Fehler bei der ursprünglichen Erklärung sei auf einen „unbemerkten Übertragungsfehler“ einer der ihn den früheren Papst tätigen Juristen im Rahmen der Abstimmung der sehr umfangreichen Akten erfolgt und später nicht aufgefallen.
Benedikt selbst erklärte in seinem persönlichen Begleitschreiben dazu, die fehlerhafte Angabe gegenüber den Gutachtern sei nicht beabsichtigt gewesen und, „so hoffe ich, auch entschuldbar“. Einige Reaktionen auf den Vorgang hätten ihn getroffen. „Dass das Versehen ausgenutzt wurde, um an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, ja, mich als Lügner darzustellen, hat mich tief getroffen“, erklärte er.
Mit Bezug auf die fragliche Ordinariatssitzung hieß es in der Erklärung der Berater, Benedikt habe weder Kenntnis von den Missbrauchstaten des Priesters noch dessen Einsatz in der Seelsorge gehabt. In der Sitzung sei auch nicht entschieden worden, „dass ein Missbrauchstäter in der Seelsorge eingesetzt wird“.
In dem Gutachten wird dem emeritierten Papst in mehreren Fällen ein Fehlverhalten im Umgang mit früheren Missbrauchstaten von Priestern in seiner Zeit als Münchner Erzbischof vorgeworfen. Die fragliche Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 über den beschuldigten H. gilt als der öffentlich am meisten diskutierte und zentrale Vorwurf.
Laut der am Dienstag veröffentlichten Erklärung der Berater Benedikts ging es in der Sitzung nur um die Unterbringung von H. in München und die Tatsache, dass er eine Therapie machen sollte. Der Grund der Therapie sei nicht benannt worden.