Wegen der Vorbereitung eines Mordes im Auftrag der tschetschenischen Führung um Machthaber Ramsan Kadyrow hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen einen in Deutschland lebenden russischen Staatsbürger erhoben. Walid D. soll in der ersten Jahreshälfte 2020 von einem Angehörigen des tschetschenischen Sicherheitsapparats „mit der logistischen Organisation der Tötung eines in Deutschland lebenden Exiloppositionellen“ beauftragt worden sein, wie die Behörde am Donnerstag in Karlsruhe mitteilte.
Unter anderem soll er sich demnach eine Waffe samt Munition und Schalldämpfer besorgt sowie das avisierte Opfer ausgespäht haben. Die Zielperson und deren Bruder sind laut Generalbundesanwalt Kritiker von Kadyrows Führung und treten in sozialen Medien für ein unabhängiges Tschetschenien ein. „Durch die staatlich beauftragte Tötung sollte insbesondere der Bruder des avisierten Opfers zum Schweigen gebracht werden“, hieß es aus Karlsruhe.
Ausführen sollte den Mord demnach ein weiterer vom tschetschenischen Sicherheitsapparat ausgewählter Mann, der „den Auftrag jedoch aus Angst vor Repressalien nur zum Schein annahm“. Diesen Mann soll D. im September 2020 in Tschetschenien getroffen und ihn von dort nach Deutschland geschleust haben. Beide sollen in der Bundesrepublik eine Schießübung mit der Tatwaffe vorgenommen und weiter den Wohnort der Zielperson ausgespäht haben.
D. wurde daraufhin am 1. Januar 2021 festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft erhob die Anklage nach eigenen Angaben bereits am 4. Februar vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München. Formal wird D. darin vorgeworfen, sich zur Begehung eines Mordes bereiterklärt zu haben. Zudem werden ihm die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last gelegt.
Wie der „Spiegel“ am Donnerstag berichtete, soll der für die Tat angeheuerte mutmaßliche Mittäter, der den Auftrag nur zum Schein angenommen haben will, gegenüber den deutschen Behörden ausgesagt haben. D. ist demnach ein russischer Staatsbürger tschetschenischer Abstammung. Er kam dem Bericht zufolge schon 2003 nach Deutschland.
Bereits im vergangenen Sommer hatten der „Spiegel“ und der Mitteldeutsche Rundfunk berichtet, dass D. früher als V-Mann für den Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommerns gearbeitet habe. Im Zuge der Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Mordkomplott geriet ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes wegen möglichen Geheimnisverrats ins Visier. Demnach handelte es sich bei dem Mann um D.s früheren V-Mann-Führer. Es stand der Verdacht im Raum, er könne D. die Wohnanschrift des mutmaßlichen Attentatsopfers verraten haben.
Das Innenministerium in Schwerin bestätigte damals Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter des Landesverfassungsschutzes und beurlaubte den Betroffenen vorsorglich. Weitere Details wurden offiziell nicht genannt. Wie der „Spiegel“ nun am Donnerstag weiter berichtete, ergaben die Ermittlungen gegen den Verfassungsschützer allerdings bislang keine Hinweise darauf, dass dieser die Adresse weitergab oder von den mutmaßlichen Mordplänen gewusst haben könnte.
Bei dem mutmaßlichen Anschlagsopfer handelt es sich laut „Spiegel“ um den 27-jährigen tschetschenischen Aktivisten Mochmad A., der demnach als Asylbewerber in Bayern lebt. Der Mordauftrag soll nach Informationen des Magazins von einem Cousin des tschetschenischen Machthabers Kadyrow erteilt worden sein, der zugleich eine zentrale Funktion innerhalb des tschetschenischen Sicherheitsapparats ausübt.
Kadyrow ist ein enger Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin. Tschetschenien ist eine sogenannte autonome Teilrepublik in der Russischen Föderation, also kein eigenständiger Staat. Nach dem Zerfall der Sowjetunion war Tschetschenien zwischenzeitlich de facto unabhängig, später intervenierte Russland dort in mehreren blutigen Kriegen. Der letzte derartige Militäreinsatz endete 2009.
Erst im Dezember wurde ein russischer Staatsbürger vom Berliner Kammergericht für einen Mord im Auftrag staatlicher russischer Stellen an einem in tschetschenischstämmigen Georgier zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Laut Urteil hatte der Mann sein von den russischen Sicherheitskräften als „Staatsfeind“ eingestufte Opfer in Kleinen Tiergarten mitten in der Hauptstadt erschossen.