Das Schicksal von 19 Kindern, die in der belagerten ukrainischen Stadt Mariupol seit Wochen in einem Sanatorium festsitzen, hat große Besorgnis ausgelöst. Die Kinder im Alter von vier bis 17 Jahren, die meisten von ihnen Waisen, seien in „großer Gefahr“, sagte der Augenzeuge Alexej Woloschtschuk nach seiner Flucht aus der Hafenstadt der Nachrichtenagentur AFP.
Die Kinder waren vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine in die auf Lungenkrankheiten spezialisierte Klinik gebracht worden. Wegen der Gefechte in der Stadt konnten sie von ihren Vormündern nicht mehr aus der Einrichtung geholt werden.
Woloschtschuk hatte nach eigenen Angaben in der Klinik, in der Verwandte von ihm arbeiteten, Schutz gesucht vor den russischen Angriffen. Inzwischen konnte er in die Stadt Saporischschja fliehen. Nach seinen Angaben leben die Kinder in einem kalten Keller und konnten sich seit mehr als zwei Wochen nicht mehr waschen. In der Nähe der Klinik seien Raketen eingeschlagen.
Woloschtschuk zeigte Fotos, auf denen die zerstörten Fenster des Gebäudes zu sehen sind. „Es gibt keine Heizung, es ist kalt. Eines der Mädchen, etwa acht Jahre alt, zeigte mir eine Wunde im Gesicht. Sie sagte, sie stamme von der Kälte“, sagte er.
Die Kinder würden von einem „heldenhaften“ Lungenfacharzt, einem Koch und zwei Krankenschwestern betreut, sagte Woloschtschuk. Polizisten bringen den Kindern demnach Essen. Er befürchte jedoch, dass die Vorräte bald zur Neige gehen könnten.
Olga Lopatkina, eine der Betreuerinnen der Kinder, sagte, sie habe im Januar sechs ihrer Pflegekinder im Alter zwischen sechs und 17 Jahren in das Sanatorium geschickt. Lopatkina betreibt zusammen mit ihrem Mann ein privates Pflegeheim in der 100 Kilometer nördlich von Mariupol gelegenen Stadt Ugledar.
Als der Krieg begann, floh Lopatkina mit den verbliebenen Kindern in die Westukraine. Von dort aus gelangten sie über Ungarn schließlich nach Frankreich. Sie hofft nun darauf, dass ihre Pflegekinder aus Mariupol gerettet werden können.
Die in Genf ansässige Wohltätigkeitsorganisation „Stop TB“ bemühte sich nach eigenen Angaben darum, die Kinder in Sicherheit zu bringen. Nach Angaben von Geschäftsführerin Lucica Ditiu versuchte die Stiftung, die Kinder in andere Länder zu bringen. „Aber das größte Problem ist, sie dort herauszuholen“, fügte sie mit Blick auf die prekäre Lage in Mariupol hinzu.