Zur Abfederung der immens gestiegenen Energiekosten hat die Ampel-Koalition ein zweites Maßnahmenpaket in Milliardenhöhe für die Bürgerinnen und Bürger geschnürt: Wie die Spitzen der Koalition am Donnerstagvormittag mitteilten, sind unter anderem eine Energiepreispauschale von 300 Euro, ein reduzierter Spritpreis, Hilfen für Familien sowie günstige Tickets für den Nahverkehr vorgesehen. Zugleich legt die Koalition ihren Fokus auf eine rasche Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus Russland.
Die gegenwärtige Lage sei die „unmittelbare Folge des Kriegs in der Ukraine“, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der russische Angriff vor einem Monat habe die „ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft“, heißt es auch im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses, der in der Nacht getagt hatte. Der hohe Spritpreis sei sofort spürbar, andere Kosten wie Strom und Heizung würden sich wegen Vorauszahlungen „erst verzögert“ zeigen.
Daher sei es wichtig, Menschen und Wirtschaft vor der Kostenexplosion zu schützen – und zugleich durch Diversifizierung und eine Senkung des Verbrauchs „schnellstens unabhängig von russischen Energieimporten“ zu werden. So sollen der Ausbau der Erneuerbaren beschleunigt und die Beschaffung von Flüssigerdgas unterstützt werden. Die Regierung will aber auch die Stilllegung der Kohlekraftwerke aussetzen und diese „länger in der Sicherheitsbereitschaft halten“.
Vor allem aber geht es um die Entlastung der Verbraucher: So sollen alle einkommensteuerpflichtigen Beschäftigten eine Energiepreispauschale von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt bekommen. Beschlossen wurde außerdem eine Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate auf das europäische Mindestmaß.
Der Spritpreis werde damit beim Benzin um 30 Cent pro Liter und beim Diesel um 14 Cent pro Liter reduziert, führte die Koalition aus. „Man wird an den Zapfsäulen in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen, sehen was wir verabredet haben“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil.
Es gehe außerdem darum, „massiv in den ÖPNV“ zu investieren, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang. „Wir machen Bus- und Bahnfahren so billig, wie es in Deutschland wahrscheinlich noch nie war.“ Geplant ist, für 90 Tage ein Monatsticket für neun Euro einzuführen. Die entsprechenden Regionalisierungsmittel sollen so erhöht werden, „dass die Länder dies organisieren können“, heißt es im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses.
Zu dem Maßnahmenpaket gehören außerdem eine weitere Einmalzahlung für ärmere Haushalte in Höhe von 100 Euro sowie zur Abfederung besonderer Härten für Familien ein Einmalbonus für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld in Höhe von 100 Euro. Dieser soll über die Familienkassen ausgezahlt werden.
Zurückhaltend zu dem Paket äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Maßnahmen „können die großen Sorgen in der Wirtschaft nicht wirklich verringern“, erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian. Die Senkung der Energiesteuer sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein und der besonders stark betroffenen Industrie könne sie „ohnehin nicht helfen“.
Die Diakonie hält das Paket für „sozial nicht ausgewogen“. Besonders die Ärmsten müssten entlastet werden, jedoch würden diese mit 300 Euro Energiepreispauschale „nicht erreicht“. Die weitere Einmalzahlung an Transferempfänger gehe in die richtige Richtung, sei aber zu gering. Besser wäre das Feststellen einer „sozialen Notlage“ – verbunden damit, dass Leistungsberechtigte ein halbes Jahr lang monatlich 100 Euro als Pauschale erhalten.
CSU-Chef Markus Söder twitterte, das Paket bleibe „hinter den Erwartungen zurück“. Die Maßnahmen seien „zu wenig, zu kompliziert, nur für kurze Zeit und keine echte Entlastung der Wirtschaft“. Nötig sei eine Mehrwertsteuersenkung.