Mit Spitzenleistungen kennt Anke Rehlinger (SPD) sich aus – schließlich war sie einst eine der besten Leichtathletinnen des Saarlands und hält seit 1996 den Landesrekord im Kugelstoßen. Doch was der 45-jährigen Sozialdemokratin nun am Sonntag gelang, hätte kaum einer für möglich gehalten: Als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl hob Rehlinger ihre Partei locker auf mehr als 43 Prozent. Im Landtag kann sie künftig mit einer absoluten Mehrheit regieren. Eine solche gab es in Deutschland zuletzt bei der Wahl in Hamburg von 2015.
„Das Saarland hat rot gewählt“, sagte Rehlinger am Abend auf der SPD-Wahlparty. Folgt man den Demoskopen, könnte man auch sagen: Das Saarland hat vor allem Rehlinger gewählt. Denn die bisherige Wirtschaftsministerin hat es in jahrelanger Arbeit geschafft, bei den Popularitätswerten den jungen Ministerpräsidenten Tobias Hans von der CDU weit hinter sich zu lassen.
„Es ist gut für einen erfolgreichen Wahlkampf, dass man vorher mal Leistungssport gemacht hat“, sagte Rehlinger kurz vor der Wahl in Anspielung auf ihre früheren sportlichen Erfolge. Einer Nachwahlbefragung der ARD zufolge überholte Rehlinger ihren politischen Gegenkandidaten Tobias Hans in allen Disziplinen: Die Wähler gaben ihr die besseren Werte bei Führungsstärke, Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Sympathie.
In ihrem zweiten Anlauf gelang es der SPD-Politikerin nun, sich für die Übernahme des höchsten Regierungsamts im Saarland in Stellung zu bringen. Die Sozialdemokraten dürften damit im Saarland erstmals seit der Wahlniederlage von Reinhard Klimmt im Jahr 1999 wieder in die Staatskanzlei einziehen.
Dabei sah es lange gar nicht gut für Rehlinger und die SPD aus – bis zur Bundestagswahl im September, bei der die SPD der Union nach 16-jähriger Kanzlerschaft die Macht abrang. Doch wenig später sagten Umfragen auch für das Saarland erstmals seit Jahren eine Wechselstimmung voraus.
Die 45-jährige Rehlinger steht seit 2014 an der Spitze des Landesministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Zudem ist sie bislang stellvertretende Ministerpräsidentin in der schwarz-roten Landesregierung. Die Ämter übernahm sie von ihrem Parteikollegen Heiko Maas, der in die Bundespolitik wechselte. 2017 trat sie zum ersten Mal als SPD-Spitzenkandidatin an, damals noch gegen CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.
Spannend wird sein, ob Rehlinger nach ihrem Wahltriumph künftig auch in der Bundespolitik stärker mitspielt. Seit Ende 2019 ist sie bereits stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende. Die SPD-Spitze in Berlin ist ihr extrem dankbar: Mit dem Sieg an der Saar konnte die SPD beweisen, dass ihr Sieg bei der Bundestagswahl keine Eintagsfliege war.
Bereits vor dem von der Coronapandemie geprägten Wahlkampf stellte Rehlinger unter Beweis, dass sie offen und zugewandt auf Menschen zugehen kann. Die SPD-Politikerin kommt leicht mit ihnen ins Gespräch und wechselt ebenso gern wie schnell in den Dialekt. Auch eine Infektion mit dem Coronavirus im März bremste sie im Wahlkampf nicht aus.
Die sportbegeisterte Rehlinger studierte Jura in Saarbrücken und begann, sich politisch zu engagieren. Seit 1998 gehört sie der SPD an. Sie war stellvertretende Juso-Vorsitzende und ist seit 2018 Landesvorsitzende der SPD.
Im Landtag sitzt Rehlinger bereits seit 2004. Nach Bildung der schwarz-roten Landesregierung wurde die Mutter eines Sohns im Mai 2012 zunächst Ministerin für Justiz sowie für Umwelt und Verbraucherschutz, bevor sie 2014 zur Wirtschaftsministerin und stellvertretenden Ministerpräsidentin aufstieg. Im Januar 2021 wurde die Trennung von ihrem Mann bekannt.