AfD-Chef Jörg Meuthen hat sich im internen Machtkampf geschlagen gegeben und die Partei verlassen. Seine Austrittserklärung verband Meuthen am Freitag mit scharfer Kritik an der AfD: Teile der Partei stünden seiner Meinung nach „nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. „Ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge.“ Seinen Schritt wertete Meuthen selbst als Eingeständnis der Niederlage im Machtkampf mit den Rechtsaußen-Kräften um die Ausrichtung der AfD.
Meuthen rechnete zum Abschied mit dem aktuellen Erscheinungsbild der AfD ab: „Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts und es schlägt eigentlich permanent hoch“, sagte er. Er sei als Parteichef mit seinem Einsatz für einen anderen Weg gescheitert. Gerade in der Corona-Politik habe die AfD etwas Sektenartiges entwickelt. Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für sie.
Der AfD-Bundesvorstand reagierte schmallippig auf Meuthens Ankündigung. Dessen Parteiaustritt werde „zur Kenntnis“ genommen, erklärte der Vorstand. Er dankte Meuthen „für die Weiterentwicklung der AfD als einzige Oppositionspartei in Deutschland“.
Deutlich schärfer als das Parteigremium reagierte AfD-Vizechefin Alice Weidel. Dass Meuthen „die Partei, der er lange vorgestanden ist, mit Schmutz bewirft, spricht nicht von Charakter“, sagte Weidel den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Sie vermute einen Zusammenhang zwischen Meuthens Austritt und der geplanten Aufhebung seiner Immunität als Europaabgeordneter.
Am Donnerstag hatte der Rechtsausschuss des EU-Parlaments für den Immunitätsentzug des Europaabgeordneten Meuthen gestimmt. Damit wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Berlins in einer Affäre um illegale Parteispenden gegen ihn wahrscheinlicher.
Meuthens Kritik an der Partei und Weidels scharfe Replik verdeutlichen, wie sehr das Verhältnis innerhalb der Parteispitze zuletzt zerrüttet war. In dem ARD-Interview nannte Meuthen mehrere seiner Widersacher namentlich, unter anderen seinen Ko-Vorsitzenden Tino Chrupalla: „Chrupalla, Weidel, Gauland, Höcke, Brandner nicht zu vergessen – die werden sich richtig freuen, dass der Meuthen nun endlich weg ist“, sagte er – und fügte hinzu: „Haben sie lange dran gearbeitet.“
Bereits im Herbst hatte Meuthen angekündigt, nicht mehr für den Parteivorsitz in der AfD zu kandidieren. Dies war bereits als Niederlage im Machtkampf gegen den extrem rechten Parteiflügel und gegen seine Widersacher im Parteivorstand gewertet worden. Sein Mandat als Abgeordneter im Europaparlament in der rechtspopulistischen Fraktion „Identität und Demokratie“ will der 60-Jährige den Interviewäußerungen zufolge behalten. Er wolle sich auch in Zukunft politisch betätigen.
In den AfD-Landesverbänden stieß Meuthens Austritt auf unterschiedlichen Widerhall. Meuthen habe sich „in letzter Zeit mit Alleingängen zunehmend isoliert“, erklärte etwa der Landesverband Sachsen. „Seine regelmäßige Kritik an Parteikollegen über die Medien war wenig konstruktiv und hat mehr und mehr Schaden angerichtet.“ Der AfD-Landesvorstand Bayern äußerte hingegen sein Bedauern über Meuthens Austritt.
Meuthen ist nicht der erste AfD-Chef, der die Partei im Streit verlässt. Auch die früheren Vorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry haben sich von der AfD abgewandt. Meuthen war 2013 in die AfD eingetreten und im Sommer 2015 nach Luckes Abgang Bundessprecher geworden. Zunächst führte er die AfD an der Seite von Petry, dann mit Alexander Gauland und zuletzt mit Tino Chrupalla.