An einem Arbeitsplatz über Jahre einen Zeitarbeiter zu beschäftigen, kann unter Umständen rechtens sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg legte am Donnerstag auf Bitten des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg die entsprechenden Richtlinien im EU-Recht aus. Es ging um einen Leiharbeiter, der von der Zeitarbeitsfirma für fast fünf Jahre zum Mercedes-Motorenbau bei Daimler in Berlin entsandt wurde und dabei keinen Festangestellten vertrat. ((Az. C-232/20)
Vor dem Landesarbeitsgericht klagt der Leiharbeiter darauf, dass dadurch ein Arbeitsverhältnis direkt mit Daimler zustande gekommen sei. Im konkreten Fall muss das Berliner Gericht entscheiden, der EuGH gab dazu einige Hinweise.
In Deutschland kommt nach mehr als anderthalb Jahren Überlassung durch die Zeitarbeitsfirma – wenn nicht anders tariflich geregelt – ein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen zustande, das Einsatzort ist. Allerdings werden Zeiten vor dem April 2017 gemäß einer Übergangsregelung dabei nicht berücksichtigt.
Laut EuGH ist die Rede von einem missbräuchlichen Einsatz, wenn mehrere aufeinander folgende Überlassungen des Leiharbeiters bei demselben Unternehmen zu einer so langen Beschäftigungsdauer führen, dass sie länger sei als das im Kontext als vernünftig Anzusehende. Zu diesem Kontext zählte der EuGH die Besonderheiten der Branche und nationale Regelungen.
Die deutsche Übergangsvorschrift sei mit EU-Recht nicht vereinbar, wenn ein nationales Gericht darum die tatsächliche Dauer der Überlassung nicht berücksichtigen könne. Wenn es – wie hier – um eine Klage zwischen Privatleuten gehe, dürfe das deutsche Gericht die Übergangsregelung trotzdem anwenden, erklärte der Gerichtshof.
Tarifparteien dürften für eine Branche eigene Regelungen treffen. Wenn es keine national geregelten Sanktionen für die Überschreitung von Überlassungszeiten gebe, lasse sich aus den EU-Richtlinien kein individuelles Recht auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen ableiten.
Mercedes-Benz teilte mit, das Unternehmen begrüße die Entscheidung, „dass aus dem Unionsrecht keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses folgt“, es sehe seine Rechtsauffassung bestätigt. Da der EuGH dem Landesarbeitsgericht aber gewisse Ermessensspielräume gegeben habe, bleibe die finale Entscheidung abzuwarten.