Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angekündigt, über jeden möglichen „Kompromiss“ bei den Verhandlungen mit Russland sein Volk entscheiden zu lassen. Die Inhalte eines möglichen Abkommens könnten „historische“ Veränderungen bedeuten, sagte der Staatschef in einem am Montagabend veröffentlichten Interview mit der Nachrichten-Website Suspilne. Entschieden werde darüber von ukrainischer Seite am Ende in einem Referendum.
„Das Volk wird über bestimmte Formen von Kompromissen abstimmen müssen. Und wie diese aussehen werden, hängt von unseren Gesprächen mit Russland ab“, fuhr er fort. Selenskyj wies darauf hin, dass sein Land „kein russisches Ultimatum akzeptieren“ könne. Eine „Übergabe“ der ukrainischen Städte Kiew, Charkiw oder Mariupol an Russland schloss er aus.
Er bestand auf einem persönlichen Gespräch mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. „Ich glaube, dass es ohne ein solches Treffen unmöglich ist, vollständig zu verstehen, wozu sie bereit sind, um den Krieg zu beenden“, sagte er mit Blick auf die russische Verhandlungsposition weiter.
Zur Hauptstreitpunkt einer möglichen Nato-Mitgliedschaft sagte er, sein Land habe „verstanden“, dass es von dem Verteidigungsbündnis „nicht akzeptiert“ werde, weil die Mitgliedsstaaten „Angst vor Russland haben“. Nun brauche sein Land „andere Sicherheitsgarantien“. Seinen Angaben zufolge gibt es „Nato-Länder“, die „Garanten für die Sicherheit“ der Ukraine „sein wollen“. Diese seien „bereit, alles zu tun, was das Bündnis tun müsste, wenn wir Mitglied wären“. Solche Sicherheitsgarantien ohne formelle Nato-Mitgliedschaft wären aus seiner Sicht ein „normaler Kompromiss“.
Zur Frage der von pro-russischen Separatisten kontrollierten und von Moskau als unabhängig anerkannten Gebiete im Osten seines Landes sowie der von Russland annektierten Krim-Halbinsel sagte der Präsident, es handle sich um eine „sehr schwierige Geschichte für uns alle“. Er betonte: „Um einen Ausweg zu finden, müssen wir zunächst den ersten Schritt hin zu Sicherheitsgarantien und einem Waffenstillstand machen.“ Er sei bereit, beim „allerersten Treffen“ mit Putin „diese Fragen anzusprechen“.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine am 24. Februar haben sich Unterhändler Kiews und Moskaus zu mehreren Verhandlungsrunden getroffen. Die Türkei, die eine Vermittlerrolle eingenommen hat, hatte am Sonntag Fortschritte in den Gesprächen gemeldet. In den Verhandlungen geht es demnach unter anderem um die von Russland geforderte „Neutralität“ der Ukraine, den Status der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk sowie um den Status der 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.