Es war eine überraschende Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine: Um „notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben“ bei der Bundeswehr zu finanzieren, soll ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgelegt werden. An diesem Mittwoch standen die Gesetzesvorlagen dazu erstmals im Bundestag auf der Tagesordnung – auch zu der für das Sondervermögen erforderlichen Grundgesetzänderung.
Warum fließt auf einmal so viel Geld für die Bundeswehr?
Der russische Einmarsch in die Ukraine hat die Bundesregierung aufgeschreckt. Plötzlich sind Landes- und Bündnisverteidigung ein viel größeres Thema als zuvor. Gleichzeitig gibt es seit vielen Jahren bei der Bundeswehr Ausrüstungsmängel und Probleme mit Großprojekten.
„Klar ist: Wir werden deutlich mehr investieren müssen in die Sicherheit unseres Landes“, sagte dazu Scholz. Das Ziel sei „eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt.“
Auch solle Deutschland bereits ab diesem Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten, also zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, sicherte Scholz bei der Ankündigung des Sondervermögens zu. Allerdings gilt dies zumindest für 2022 unter den zuständigen Fachpolitikern als unrealistisch, weil Beschaffungen gar nicht so schnell erfolgen könnten.
Warum wird nicht einfach der Haushalt des Verteidigungsministeriums aufgestockt?
Das wird er durchaus – im laufenden Jahr soll er das Rekordvolumen von 50,3 Milliarden Euro erreichen. Das Sondervermögen hat jedoch für die Regierung den Vorteil, dass seine Kredite zwar auf die Staatsverschuldung angerechnet werden, aber nicht unter die Vorgaben der Schuldenbremse fallen, die ab 2023 wieder eingehalten werden soll.
Der Sondertopf steht zudem nach der Errichtung jahrelang zur Verfügung. Im Gesetzentwurf zur Einführung des neuen Topfs heißt es: „Es wird das Instrument eines Sondervermögens gewählt, weil diese Finanzierungsaufgabe sehr umfangreich und von längerer Dauer sein wird.“
Wie wird das Sondervermögen eingerichtet?
Die Regierung will im Grundgesetz in den Artikel 87a einen neuen Absatz 1a einfügen: „Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten.“
Die Verfassungsänderung muss mit Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Die Regierung benötigt also auch die Zustimmung der Union, die diese an Bedingungen knüpft. Dagegen reichen für das sogenannte Errichtungsgesetz einfache Mehrheiten. Damit wird festgelegt, dass das Bundesfinanzministerium die nötigen Kredite aufnehmen darf und jährlich über Einnahmen und Ausgaben informieren muss.
Ist das Geld ausgegeben, wird das Sondervermögen aufgelöst. Die Tilgung der Schulden soll danach „in einem angemessenen Zeitraum“ erfolgen.
Was genau soll aus dem Sondervermögen bezahlt werden?
Dies legt ein jährlicher Wirtschaftsplan fest. Hierzu hat die Unionsfraktion allerdings auch eigene Vorstellungen, unter anderem verlangt sie ein Aufsichtsgremium, das über die Verwendung der Mittel wachen soll.
Unklar ist beispielsweise auch, inwiefern neben klassischen Verteidigungsausgaben auch Projekte der Energie- oder Cybersicherheit finanziert werden könnten – was die Union mit Skepsis sieht. Zudem gibt es Forderungen von unterschiedlicher Seite, mit der großen Finanzspritze müssten Strukturreformen in der Truppe und ein Umbau des Beschaffungswesens einhergehen.
Bereits klar ist, dass mit dem Sondervermögen zum Beispiel die Nachfolge für die betagten Tornado-Jets der Bundeswehr finanziert werden soll. Hierzu hat das Verteidigungsministerium bereits die Beschaffung von 35 US-Tarnkappen-Jets F-35 angekündigt. Ebenfalls geplant ist die Ausstattung der Streitkräfte mit auch bewaffneten Drohnen. Zudem soll die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten verbessert werden.