Nach dem Rücktritt der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) wegen eines Mallorca-Urlaubs während der Flutkatastrophe wächst nun auch der Druck auf Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne). Nur zehn Tage nach dem verheerenden Hochwasser an der Ahr reiste die damalige rheinland-pfälzische Umweltministerin für einen vierwöchigen Urlaub mit ihrer Familie nach Frankreich, wie die „Bild am Sonntag“ beim Umweltministerium in Mainz erfuhr. Rücktrittsforderungen kommen von der Opposition.
Spiegel unterbrach demnach ihre Ferien nur für zwei Vor-Ort-Termine am 10. August. Sie informierte sich in Dümpelfeld über die Reparatur der Kläranlage, im Ahrtal schaute sie sich an, wie weit die Helfer mit den Aufräumarbeiten gekommen waren. Danach ging es zurück ins Ferienhaus nach Frankreich – für die zweite Urlaubshälfte.
Der Urlaub endete nach Ministeriumsangaben am 23. August. Zur Verteidigung der Langzeitferien betonte das Umweltministerium, dass Spiegel telefonisch und per Mail „rund um die Uhr“ erreichbar gewesen wäre.
Die Union forderte den Rücktritt der Ministerin. „Spiegel ist untragbar“, sagte CDU-Landeschef Christian Baldauf der Zeitung. Die Ministerin „sollte sich ein Beispiel an Heinen-Esser nehmen und ihr Amt zur Verfügung stellen“, erklärte auch CSU-Generalsekretär Stephan Mayer.
CDU-Chef Friedrich Merz forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf, Spiegel zu entlassen. „Es beweist sich erneut: Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr“, sagte Merz der „Bild“-Zeitung. „Frau Spiegel erweist sich immer mehr als Fehlbesetzung für das Ressort, das ihr anvertraut wurde“, sagte dem Blatt auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja.
Spiegel war bereits in die Kritik geraten, weil sie sich direkt nach der Hochwassernacht um ihr Ansehen sorgte. Am 15. Juli schrieb ihr Sprecher an die Ministerin und andere Mitarbeiter: „Anne braucht eine glaubwürdige Rolle.“ Er schlug medienwirksame Termine vor: „Anne bei Reparaturarbeiten, bei Hochwasserschutzprojekten, dort, wo neue Gefahren drohen.“ Die Auftritte dürften aber „nicht nach politischer Instrumentalisierung aussehen“. Die Ministerin antwortete ihrem Sprecher: „Das deckt sich mit meinen Überlegungen.“
Im Fall Heinen-Essers, die über ihren Mallorca-Urlaub zunächst falsche Angaben gemacht hatte, gibt es laut einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“ in der CDU Streit darüber, dass die Politikerin an ihrer Kandidatur für den neuen NRW-Landtag festhalten will. „Wer den Unterschied zwischen Recht und Anstand verkennt, hat seine Hausaufgaben nicht gemacht“, schrieb der Zeitung zufolge der örtliche CDU-Politiker Konrad Adenauer an den Kölner Parteivorstand, der die Kandidatur Heinen-Essers demnach weiterhin stützt.
Neue Vorwürfe gab es in diesem Fall gegen NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner, die gemeinsam mit Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (alle CDU) Heinen-Esser während ihres Mallorca-Urlaubs besucht hatten. SPD-Landeschef und Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hielt ihnen in der „Rheinischen Post“ vor, beide hätten Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) offensichtlich wochenlang nicht über die falschen Angaben Heinen-Essers informiert. Kutschaty wies darauf hin, dass Wüst geltend mache, davon „erst kürzlich erfahren“ zu haben.