Der Eurovision Song Contest taumelt – und die EBU tut so, als sei alles in bester Ordnung

Eurovision Song Contest Trophäe (über EBU)
Eurovision Song Contest Trophäe (über EBU)

Der Eurovision Song Contest wird oft als „größtes Live-Musik-Event der Welt“ gefeiert – ein Ort der Vielfalt, der Freiheit und des kulturellen Austauschs. Doch 2026 steht er so offen sichtbar am Abgrund wie selten zuvor. Während sich hinter den Kulissen die politischen Risse vertiefen und ganze Länder den Rückzug erklären, präsentiert die EBU ihre neuen Regeln als großen Schritt in Richtung Transparenz. Doch die Realität erzählt eine deutlich unangenehmere Geschichte.

Ein Regel-Update als Beruhigungspille

Die von der EBU beschlossenen Anpassungen sollen „Vertrauen stärken“ und „Neutralität gewährleisten“. Das klingt gut – ist aber ein kosmetischer Eingriff an einem politischen Komplex, der längst tiefer liegt. Eine geheim durchzuführende Abstimmung sollte zeigen, ob die Mitglieder mit dem Regelwerk zufrieden sind. Die eigentliche Frage – ob der ESC unter den aktuellen Umständen überhaupt stattfinden kann, ohne seine Glaubwürdigkeit vollständig zu verlieren – wurde dabei jedoch elegant umschifft.

Stattdessen verkündet die EBU stolz, man habe sich „einvernehmlich“ darauf verständigt, dass keine weitere Abstimmung nötig sei und der Contest wie geplant stattfinden solle. Als wäre die Welt da draußen nicht längst eine andere.

Der Elefant im Raum heißt Israel

Die EBU spricht in ihren Statements viel über „Einheit“, „Transparenz“ und „kulturellen Austausch“. Worüber sie nicht spricht: über den Grund, warum überhaupt so drastische Regeländerungen diskutiert werden. Der Konflikt rund um die Teilnahme Israels hat den ESC tief gespalten – nicht erst seit gestern.

Und während die EBU versucht, mit technokratischen Formulierungen die Lage zu entschärfen, ziehen Spanien, Irland, die Niederlande und Slowenien die Reißleine. Der Rücktritt dieser Länder ist kein Randnotiz-Drama – es ist ein politisches Erdbeben. Ein Warnsignal, das kaum lauter sein könnte.

Dass Staaten offen erklären, unter diesen Bedingungen nicht teilnehmen zu wollen, ist historisch. Und es zeigt, wie brüchig das Fundament geworden ist, auf dem der ESC seit Jahrzehnten steht.

Die EBU appelliert – aber sie führt nicht

EBU-Präsidentin Delphine Ernotte Cunci bedankt sich in warmen Worten für „respektvolle Diskussionen“ und lobt den „gemeinsamen Einsatz für Pressefreiheit“. All das ist richtig, all das ist wichtig – und all das wirkt wie ein Textbaustein, sobald man es neben die Eskalation der letzten Wochen legt.

Wer die Pressefreiheit schützen will, muss politische Realität anerkennen. Wer Neutralität garantieren will, muss erklären, wie ein Wettbewerb neutral sein soll, wenn Teile der europäischen Öffentlichkeit und mehrere Mitgliedsländer den Umgang der EBU mit der Gaza-Situation als einseitig oder unzureichend kritisieren.

Statt klarer Haltung liefert die EBU Verwaltungsprosa.

Der ESC droht zur Bühne der Spaltungen zu werden

Es war immer ein Balanceakt: Politik aus dem Wettbewerb fernhalten, obwohl der ESC seit jeher politisch ist. Aber 2026 kippt dieser Balanceakt zum ersten Mal erkennbar. Die Rückzüge einzelner Länder sind nicht nur symbolische Gesten – sie untergraben das Versprechen, dass der ESC ein Ort der Zusammenkunft sei.

Wenn Delegationen sich zurückziehen, bevor überhaupt eine Bühne aufgebaut ist, zeigt das vor allem eines: Die EBU verliert die Kontrolle über das Narrativ.

Die entscheidende Frage lautet: Was ist der ESC in einer polarisierten Welt?

Ein Musikfest? Ein politisches Minenfeld? Oder ein Imageprojekt, das so tut, als könne man Kultur und Politik voneinander trennen, während rundherum Konflikte eskalieren?

Solange die EBU versucht, diese Fragen mit Regelparagraphen und wohlklingenden Statements zu umgehen, wird der ESC weiter an Glaubwürdigkeit verlieren. Und 2026 könnte das Jahr werden, in dem der Wettbewerb nicht wegen einer schlechten Bühne oder eines schwachen Songs scheitert, sondern wegen der eigenen Mutlosigkeit.

Fazit

Der ESC steht an einem Wendepunkt. Die EBU will Stabilität vermitteln – doch die Rückzüge mehrerer Länder zeigen: Die Fassade hält nicht mehr. Entweder der Wettbewerb findet einen klaren Kurs im Umgang mit politischen Krisen, oder er riskiert, zu einem Symbol genau jener Spaltung zu werden, die er eigentlich überwinden wollte.

Musik kann verbinden. Aber sie kann nicht überdecken, was politisch nicht geklärt ist.

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