Über den Wert der Arbeit hat am Mittwoch und Donnerstag das Bundesverfassungsgericht verhandelt. Konkret ging es um die Arbeit von Strafgefangenen. Zwei langjährig Inhaftierte Männer zogen nach Karlsruhe, weil sie den gesetzlich festgelegten Stundenlohn zwischen etwa einem und drei Euro zu niedrig finden. Das Gericht muss entscheiden, ob dieses Geld sowie die dazu kommenden sechs bis acht Freistellungstage eine angemessene Anerkennung der Arbeit darstellen. (Az. 2 BvR 166/16 und 2 BvR 1683/17)
Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber dazu, die Resozialisierung der Gefangenen zu fördern. Arbeiten im Strafvollzug soll dabei helfen, auch später nach der Haftentlassung einen Job zu finden und sich selbst finanzieren zu können, kurz „in sozialer Verantwortung“ zu leben. Dazu richten die Gefängnisse eigene Handwerksbetriebe ein, oder Gefangene arbeiten auf dem Gelände für externe Firmen.
Das Gericht befragte nicht nur die Anwältinnen und Anwälte, sondern auch einen Vertreter der Gefangenengewerkschaft und mehrere Menschen, die in Justizvollzugsanstalten (JVA) mit den Gefangenen arbeiten. Deutlich wurde dabei, dass die Arbeit für die meisten Häftlinge weit mehr ist als eine Vorbereitung auf die Zukunft.
Sie strukturiert schon während der Haft den Tag und macht ein gewisses Sozialleben möglich. Mehrmals wurde auch vom Stolz berichtet, den viele entwickelten, wenn sie – womöglich zum ersten Mal – von Vorgesetzten für ihre Leistung gelobt würden oder innerhalb der gefängniseigenen Betriebe aufstiegen. Arbeit sei eine „Behandlungsmaßnahme“, fasste es die Leiterin der JVA Aachen zusammen.
Dass sind aber nicht die einzige Aspekte, den die Richterinnen und Richter berücksichtigen müssen. Sie entscheiden darüber, ob die monetäre Vergütung, das Geld also, eine angemessene Anerkennung „im Sinne des verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebots“ darstellt, wie es Gerichtsvizepräsidentin Doris König formulierte.
Für die beiden Beschwerdeführer ist sie das nicht, und auch der Gewerkschaftsvertreter forderte für Gefangene den Mindestlohn sowie ihre Aufnahme in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung.
1998 hatte das Gericht die damalige Vergütung als ungenügend beanstandet. Der Bund hob sie etwas später auf neun Prozent des durchschnittlichen Arbeitslohns an. 2006 ging die Zuständigkeit auf die Bundesländer über, die meistens in etwa die alte Regelung übernahmen. In zwölf von 16 Ländern sind Gefangene verpflichtet zu arbeiten, so auch in Nordrhein-Westfalen und Bayern – den Ländern, aus denen die Beschwerdeführer kommen.
Meist jedoch, das wurde während der Verhandlung deutlich, wollen Gefangene arbeiten. Die Herausforderung ist es eher, ihnen genügend Arbeitsplätze anzubieten. Wer nicht arbeitet, bekommt nur ein monatliches Taschengeld von etwa 50 Euro – und wer nicht arbeitet, obwohl er es könnte, dem wird sogar dieses gestrichen. Verschiedene Therapiemaßnahmen sowie Schule und Ausbildung zählen dabei auch als Arbeit.
Gefangene müssen zwar nicht für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Für Unterbringung, Essen und Gesundheitsversorgung zahlt der Staat. Extras müssen sie allerdings selbst zahlen. Dazu gehören Leihgebühren für Fernseher, Sportkleidung, Telefonkosten und Genussmittel wie Kaffee oder Zigaretten, die im Anstaltsladen erworben werden können. Teils werden sie an Zusatzkosten für Zahnersatz oder Brille beteiligt, außerdem sparen sie für das sogenannte Überbrückungsgeld, das sie bei der Haftentlassung bekommen.
Die Bundesvereinigung der Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter im Justizvollzug schlug vor, die Löhne anzuheben und davon einen Teil für das Abtragen von Schulden abzuziehen – denn die meisten Gefangenen sind verschuldet und können die Summe nicht abzahlen.
Vertreter der Länder argumentierten, dass Gefangene den Staat viel Geld kosten. Ihre Produktivität sei niedrig, die Kosten für einen Haftplatz pro Tag betrügen dagegen etwa in Nordrhein-Westfalen 169 Euro.
Der Zweite Senat berät nun über die Frage. Ein Urteil wird erst für einen späteren Zeitpunkt erwartet.