Die Einstufung von Atomkraft als nachhaltige Energieform durch die EU-Kommission ist nach Ansicht des SPD-Außenpolitikers Michael Roth nicht mehr aufzuhalten. Auch bei dieser Entscheidung gälten die demokratischen Spielregeln und Deutschland müsse Mehrheitsentscheidungen befolgen, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der „Bild am Sonntag“. Er sehe bei dem Kommissionsvorstoß zur grünen Atomkraft nicht, „wie sich das noch abwehren ließe“.
„Deutschland setzt sich für mehr Mehrheitsentscheidungen in der EU ein“, sagte Roth. „Das bedeutet dann aber auch, dass wir im Falle des Falles anerkennen müssen, dass wir bei einigen Entscheidungen keine Mehrheit für unsere Position haben.“
Die EU-Kommission hatte in der Neujahrsnacht ihren Verordnungsentwurf zur sogenannten Taxonomie an die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten geschickt. Die Taxonomie ist eine Art Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten und kommt einer Einstufung als förderwürdig und einer Empfehlung an Investoren gleich. Die Kommission schlägt vor, dass bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke unter die Taxonomieverordnung fallen können. Auch bis 2040 genehmigte Arbeiten an bestehenden Reaktoren zur Verlängerung der Betriebsdauer sind eingeschlossen.
Die Kommissionspläne lösten heftige Kritik in Deutschland aus – vor allem bei den Grünen. Auch der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, sagte der „BamS“, dass ein Weiterbetrieb der Atomkraft nicht nachhaltig sein könne. „Die Folgen werden uns noch Jahrzehnte beschäftigen.“ Deutschland stehe auch nach Jahrzehnten der Nutzung noch am Anfang bei der sicheren Entsorgung der Abfälle. „Bis heute hat es auch noch kein anderes Land geschafft, ein sicheres Endlager für die hoch radioaktiven Hinterlassenschaften einzurichten“, argumentierte König.