Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind nach einem deutlichen Rückgang zum Beginn der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr wieder gestiegen. 2021 wuchs der Ausstoß gegenüber dem Vorjahr um 4,5 Prozent auf rund 762 Millionen Tonnen, wie das Bundesklimaschutzministerium und das Bundesumweltamt am Dienstag mitteilten. Verfehlt wurde das Abbauziel im Gebäudesektor, und zwar bereits zum zweiten Mal, wie Klima-Staatssekretär Patrick Graichen in Berlin sagte. Zum ersten Mal verfehlte zudem der Verkehrssektor sein Ziel.
In den beiden Sektoren bestehe „der größte Handlungsdruck aus Sicht des Klimaschutzes“, sagte Graichen. Insbesondere im Gebäudesektor müsse mit einer „ganz anderen Dringlichkeit“ gehandelt werden als bisher. „Das A und O ist ein wesentlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien.“
Im Gebäudebereich kam es 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp vier Millionen Tonnen auf rund 115 Millionen Tonnen. Die erlaubte Jahresemissionsmenge liegt hier aber nur bei 113 Millionen Tonnen. Im Verkehr wurden im Jahr 2021 rund 148 Mio. Tonnen ausgestoßen, die zulässige Menge lag bei 145 Millionen Tonnen.
Der Gesamtanstieg in 2021 geht den Angaben zufolge aber insbesondere auf den Energiesektor zurück: Dieser weist ein Plus von 27 Millionen Tonnen CO2 auf. Denn wegen gestiegener Stromnachfrage, geringerer Erzeugung aus erneuerbaren Energien und des gestiegenen Gaspreises wurde verstärkt Kohle zur Stromerzeugung genutzt. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sank vor allem aufgrund schlechter Windverhältnisse um sieben Prozent.
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns zudem auf dramatische Weise deutlich gemacht, wie sehr Sicherheit und Energieversorgung zusammenhängen“, sagte Graichen. Der Krieg beschleunige die Notwendigkeit für Klimaschutz bei Gebäuden und Verkehr. Denn die Klimaschutzmaßnahmen seien zugleich geeignet, die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten zu reduzieren.
Der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, sagte, um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssten nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 seien es im Schnitt aber nicht einmal zwei Prozent gewesen. „Um das zu schaffen, braucht Deutschland jetzt eine gemeinsame Energieanstrengung.“
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) verlangte mehr Einsatz für die klimagerechte Sanierung von Altbauten. „Die aktuell rasant steigenden Energiepreise treffen Millionen Haushalte stark“, sagte der Vorsitzende Robert Feiger. „Es ist jetzt umso wichtiger, die große Zahl unsanierter Gebäude schneller energetisch zu modernisieren.“ Das sei auch eine sozialpolitische Frage. Denn Geringverdienende lebten besonders häufig in Häusern mit schlechter Energieeffizienz.
Auch Umweltorganisationen forderten von der Bundesregierung mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. „Wunsch und Wirklichkeit klaffen in der deutschen Klimapolitik weit auseinander, die Lücke zwischen Klimazielen und emittierten Treibhausgasen wird immer größer“, kritisierte Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. „War Corona im Jahr 2020 noch Deutschlands erfolgreichster Klimaschützer, geht der CO2-Ausstoß 2021 wieder steil nach oben.“
„Diese Zahlen müssen ein Weckruf sein“, erklärte die Organisation Germanwatch. „Trotz noch stark angezogener Handbremse aufgrund der pandemischen Lage hinkt Deutschland beim Klimaschutz vor allem in den Sektoren Verkehr und Gebäude weit hinter dem Nötigen her.“
Auch nach Überzeugung der Deutschen Umwelthilfe reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus. „Die aktuelle Regierung muss sich daran messen lassen, ob sie es schafft, in diesem Jahr radikal umzulenken in Richtung Klimaschutz“, hieß es in einer Erklärung.