Johnson sieht sich wegen Party-Skandal Revolte in konservativer Partei gegenüber

Boris Johnson - Bild: Simon Dawson / No 10 Downing Street
Boris Johnson - Bild: Simon Dawson / No 10 Downing Street

Der britische Premierminister Boris Johnson sieht sich wegen des Skandals um Partys am Regierungssitz einer Revolte in der eigenen Konservativen Partei gegenüber. Die nötige Zahl von Tory-Abgeordneten für ein parteiinternes Misstrauensvotum gegen den Regierungschef könnte nach Einschätzung britischer Medien noch am Mittwoch erreicht werden. Ein konservativer Abgeordneter lief aus Protest zur oppositionellen Labour-Partei über.

Bei einer Fragerunde im Londoner Unterhaus zeigte sich Johnson kämpferisch. Er verteidigte die Bilanz seiner Politik in der Corona-Pandemie, kritisierte die Opposition und machte populäre Ankündigungen, darunter die Aufhebung der meisten der ungeliebten Coronavirus-Beschränkungen.

Doch aus den Rängen der Abgeordneten kamen mehrere Rücktrittsforderungen. Der bisherige Tory-Abgeordnete Christian Wakeford kündigte zudem seinen Fraktionsaustritt an und schloss sich der Opposition an. „Sie und die Konservative Partei als Ganzes haben sich als unfähig erwiesen, die Führung und die Regierung anzubieten, die dieses Land verdient“, schrieb Wakeford an Johnson. Labour-Chef Keir Starmer hieß ihn in seinen Reihen willkommen.

Eine Handvoll Tory-Abgeordneter hat sich bereits offen für ein Misstrauensvotum gegen Johnson ausgesprochen. In der britischen Presse war in den vergangenen Tagen die Rede von rund 30 konservativen Abgeordneten, die ein solches Verfahren unterstützen würden.

Hinzu kam nun der Zeitung „The Times“ zufolge eine Gruppe von rund 20 mehrheitlich jungen Tory-Abgeordneten, die nach Johnsons klarem Wahlsieg 2019 erstmals ins Parlament eingezogen waren. Viele von ihnen kommen demnach –  wie auch der übergelaufene Wakeford – aus den ehemaligen Kerngebieten der oppositionellen Labour-Partei in Nordengland. Sie sollen am Mittwoch über die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen Johnson beraten haben.

Insgesamt müssten sich mindestens 15 Prozent der Tory-Abgeordneten – also 54 – in einem Schreiben an den parlamentarischen Tory-Ausschuss „1922 Committee“ für ein Misstrauensvotum aussprechen. „Ich glaube, das wir das geschafft haben“, sagte ein Johnson-kritischer Tory der BBC. Die „Financial Times“ berichtete hingegen, dass viele der Konservativen noch unentschlossen seien.

Käme es zu einem Misstrauensvotum, wären mehr als 50 Prozent der Tory-Abgeordneten nötig, um Johnson zu Fall zu bringen. Sollte er die Abstimmung überstehen, könnte ein Jahr lang kein weiteres Misstrauensvotum gegen ihn angestrengt werden.

Johnson steht seit Wochen wegen immer neuer Berichte über Partys am Regierungssitz Downing Street trotz zu diesem Zeitpunkt geltender strikter Corona-Lockdown-Regeln unter Druck. Vergangene Woche hatte Johnson im Parlament den Besuch einer Gartenparty am 20. Mai 2020 eingestanden und um Entschuldigung gebeten. Damals waren wegen der Pandemie selbst Treffen von mehr als zwei Menschen im Freien waren verboten.

Der Fall sowie weitere mutmaßliche Corona-Regelverstöße von Johnsons Mitarbeitern werden derzeit von der Regierungsbeamtin Sue Gray untersucht. Sie könnte ihren Bericht in den nächsten Tagen vorlegen. Johnson und seine Regierung wiesen Rücktrittsforderungen bislang zurück und gaben an, den Bericht abwarten zu wollen.

Nach den wochenlangen Enthüllungen will Johnson nun offenbar mit politischen Ankündigungen von dem Skandal ablenken. Darunter fallen die nun angekündigten weitreichenden Lockerungen der Corona-Regeln. Medienberichten zufolge erwägt er zudem den Einsatz des Militärs gegen Migranten und die Abschaffung des Rundfunkbeitrags.

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