Missbrauch durch Kleriker erschüttert katholische Kirche in vielen Ländern

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Die katholische Kirche wird seit Jahrzehnten von Missbrauchsskandalen erschüttert. Am Donnerstag legte eine Münchner Kanzlei ihr mit Spannung erwartetes Gutachten zum Missbrauch im Erzbistum München und Freising vor und belastete unter anderem den früheren Papst Benedikt XVI. schwer. Ein Überblick über vier Länder, in denen das Thema eine große Rolle spielt:

DEUTSCHLAND

Der katholischen Kirche in Deutschland gelang es seit dem Bekanntwerden ihres Missbrauchsskandals im Jahr 2010 nicht, wieder Vertrauen aufzubauen. Im Gegenteil: Missbrauchsopfer verlangen inzwischen eine staatliche Aufklärung, weil sie der Kirche dies nicht mehr zutrauen. Diese veränderte in den vergangenen Jahren immer wieder ihre Verfahren. Auch mittlerweile mögliche Entschädigungszahlungen von bis zu 50.000 Euro je Opfer reichen den Betroffenen aber nicht.

Ein Herzstück der Aufklärung der deutschen Kirche ist die im Jahr 2018 von der Bischofskonferenz vorgelegte sogenannte MHG-Studie. Nach Auswertung von Personalakten und anderen Dokumenten gab es mindestens 1670 Kleriker, die zwischen 1946 und 2014 mindestens 3677 Kinder missbrauchten. Die meisten waren demnach Jungen unter 13 Jahren.

Besonders viel Streit gibt es um die Aufarbeitung in den von Kardinälen geführten Erzbistümern Köln und München. In Köln löste Kardinal Rainer Maria Woelki eine Austrittswelle aus, indem er immer wieder die Veröffentlichung eines Gutachtens verzögerte.

Woelki nimmt gerade eine Auszeit, soll aber Aschermittwoch zurückkehren. In München wollte Kardinal Reinhard Marx schon im vergangenen Jahr und damit vor dem jetzt veröffentlichten Gutachten zurücktreten. Papst Franziskus lehnte dies aber ab. Marx wird durch das neue Gutachten belastet – die Frage ist, ob er erneut seinen Rücktritt anbietet.

FRANKREICH

Nach dem 2021 veröffentlichten Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission wurden in Frankreich seit 1950 schätzungsweise 216.000 Minderjährige von katholischen Priestern und Ordensleuten sexuell missbraucht. Die Zahl steigt auf 330.000 Opfer, wenn Täter mitgezählt werden, die als Laien in katholischen Einrichtungen Dienst taten.

Eine nationale Instanz befasst sich derzeit mit den Anträgen der Opfer, über die Höhe der Entschädigungen ist noch nicht entschieden. Die Bischofskonferenz kündigte an, sich auch von Immobilien zu trennen, um die Entschädigungen zu finanzieren.

Der Bericht hatte eine Schockwelle in Frankreich ausgelöst. Die Bischofskonferenz bekannte sich erstmals zur institutionellen Verantwortung der Kirche. Die Kirche habe die Opfer „weder angehört noch begleitet“.

USA

Zwischen 1950 und 2013 gab es in der katholischen Kirche der USA 17.000 Beschwerden wegen sexueller Gewalt. Die Vorwürfe richteten sich gegen rund 6400 Geistliche. Experten bezifferten im Jahr 2012 die Zahl der minderjährigen Opfer auf schätzungsweise hunderttausend.

Allein im Bundesstaat Pennsylvania missbrauchten mehr als 300 katholische Priester über Jahrzehnte hinweg mehr als tausend Kinder, wie ein 2018 veröffentlichter Bericht ans Licht brachte.

Wegen ihrer Verstrickung in Missbrauchsskandale verloren zwei US-Kardinäle ihre Ämter: Kardinal Donald Wuerl trat nach Vorwürfen zurück, er habe den Missbrauch in Pennsylvania vertuscht. Kardinal Theodore McCarrick wurde sexueller Missbrauch Minderjähriger zur Last gelegt. Daraufhin wurde er von Papst Franziskus aus dem Klerikerstand entlassen.

Nach Schätzung von Anwälten wurden mittlerweile elftausend Klagen von Opfern pädophiler Priester eingereicht. Die Diözesen zahlten schätzungsweise hunderte Millionen Dollar Entschädigungen. Opferverbände beklagen, dass die Täter nicht systematisch vor Gericht gestellt werden.

AUSTRALIEN

Nach mehreren Skandalen ermittelte eine nationale Kommission von 2013 bis 2017 zu Missbrauchsfällen in der Kirche, aber auch in Sportvereinen, Privatschulen und Waisenhäusern. Dabei kam heraus, dass 58 Prozent der Fälle in katholischen Einrichtungen stattfanden.

Zwischen 1950 und 2019 wurden etwa sieben Prozent der Priester sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Zwischen 1980 und 2015 wurden innerhalb der Kirche etwa 4400 Fälle gemeldet. Die Anhörungen der Opfer wurden live im Fernsehen übertragen, was im Land für Entrüstung sorgte.

Die Kommission befasste sich auch mit Kardinal George Pell, der in einem ersten Verfahren 2018 wegen sexuellen Missbrauchs zweier Jugendlicher zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Das Oberste Gericht Australiens hob das Urteil gegen den früheren Finanzchef des Vatikans im vergangenen Jahr in allen Punkten auf.

IRLAND

In Irland gibt es seit vielen Jahren Vorwürfe des Kindesmissbrauchs in katholischen Einrichtungen. Einem Bericht von 2009 zufolge wurden seit den 30er Jahren Kinder in katholischen Schulen und Waisenhäusern häufig Opfer sexueller, aber auch physischer und psychologischer Gewalt.

Mehrere Bischöfe und Priester wurden wegen sexueller Gewalt oder wegen Vertuschung solcher Taten bereits bestraft. Die Skandale brachten der einst mächtigen katholischen Kirche in Irland einen dramatischen Vertrauensverlust.

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1 Kommentar

  1. Ich stelle nur eine einfache Frage:
    Wohin mit meinem Glauben an Gott?
    Die Kirche (der Klerus)ist für mich gestorben. Ich glaube an Gott! Ich bete für mich, und manchmal rufe ich IHN an.
    Was soll ich tun?
    Bin ich schon so verzweifelt?

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