Alles drehte sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz um den großen Abwesenden Russland – doch trotz aller Appelle, Warnungen, Forderungen und Dialog-Angebote kamen aus Moskau keine Entspannungssignale in der Ukraine-Krise. Im Gegenteil: Angesichts neuer russischer Manöver mit atomwaffenfähigen Raketen, der militärischen Eskalation in der Ostukraine und dem nicht eingehaltenen Versprechen eines Abzugs russischer Truppen aus Belarus wächst im Westen die Angst vor einem Krieg mitten in Europa. In München jagte am Wochenende eine Krisensitzung die nächste, das Konferenz-Motto „Unlearning Helplessness“ (Hilflosigkeit verlernen) wirkte mit Blick auf die drohende Gefahr aktueller denn je.
Immerhin zeigte die Konferenz demonstrativ die große Einigkeit der westlichen Partner gegenüber dem Kreml. Der hatte entschieden – erstmals in mehr als 30 Jahren – nicht an der Veranstaltung in der bayerischen Hauptstadt teilzunehmen. So traf sich der Westen, um über Russland zu sprechen.
Nach Besuchen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei Kreml-Chef Wladimir Putin hatte sich in der vergangenen Woche kurze Zeit Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts eingestellt. Am Wochenende war davon nichts mehr zu spüren: Es lag die Angst vor Krieg in der Luft, die Furcht vor einer militärischen Eskalation durch Moskau überschattete die gesamte Tagung in München. US-Präsident Joe Biden hatte just zum Konferenzbeginn von Washington aus vor einem Angriff Russlands „in den kommenden Tagen“ gewarnt; Putins Entscheidung zu einem Einmarsch in die Ukraine stehe bereits fest.
Sogar die Europäer, von denen einige die offensive Herausgabe von US-Geheimdienstinformationen skeptisch sehen, machten keinen Hehl daraus, für wie real sie die Kriegsgefahr halten. „In Europa droht wieder ein Krieg. Und das Risiko ist alles andere als gebannt“, sagte Scholz bei seiner Rede. Dennoch werde weiter auf Diplomatie gesetzt – „so viel wie möglich, ohne naiv zu sein“, betonte der Kanzler.
Die Tür zum Dialog – sie steht Moskau also weiter offen. Doch die Appelle zum Gespräch werden leiser, übertönt von den Warnungen vor Krieg und vor massiven, harten Sanktionen. Und niemand wurde in München müde, die harten Konsequenzen für Russland im Falle eines Einmarsches deutlich zu machen – allen voran Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Machen Sie diesen fatalen Fehler nicht“, appellierte sie an Moskau nach einem Treffen der G7-Außenminister. Details des Sanktionspaket sollen geheim bleiben, solange es nicht zum Schlimmsten kommt. Geschnürt ist es aber, versichern alle.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich in München alarmierter als sonst. Versuchte er sich zuvor vor allem in der Rolle des Staatschefs, der keine Panik aufkommen lassen wollte, forderte er den Westen nun auf, seine Appeasement-Politik gegenüber Moskau aufzugeben. Seit acht Jahren sei sein Land das „Schutzschild“ des Westens gegen die russischen Truppen. Die Ukraine wolle endlich mehr Hilfen und einen klaren Zeitrahmen für einen Nato-Beitritt, forderte er.
Damit sprach er das Thema an, bei dem allen voran die Bundesregierung offenbar eine wichtige Stellschraube für eine Lösung der Spannungen mit Putin sieht. Ein Beitritt der Ukraine stehe gar „nicht auf der Tagesordnung“, betonte Scholz unlängst bei seinen Besuchen in Kiew und in Moskau – auch wenn eine russische Einmischung in die freie Bündniswahl eines souveränen Staates klar abgelehnt wird. Nicht nur dieses Thema in der Ukraine-Krise dürfte die Geschlossenheit des Westens massiv auf die Probe stellen und die Unsicherheit in Europa im Schatten des Kremls fortbestehen lassen.