Scholz legt Nord Stream 2 aus Protest gegen Russlands Politik auf Eis

Olaf Scholz - Bild: Bundesregierung/Kugler
Olaf Scholz - Bild: Bundesregierung/Kugler

Die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 wird vorerst nicht in Betrieb gehen: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begründete den vorläufigen Stopp des Genehmigungsverfahrens am Dienstag mit Völkerrechtsverstößen Russlands in der Ostukraine. Das Verfahren solle nun einer Neubewertung unterzogen werden, was konkrete Auswirkungen auf die Gasröhre habe: „Ohne diese Zertifizierung kann Nord Stream 2 ja nicht in Betrieb gehen“, sagte Scholz.

Der Schritt der Bundesregierung bedeutet, dass das Verfahren zur Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline nun für unbestimmte Zeit auf Eis gelegt ist. Ein Teil des mehrstufigen Genehmigungsverfahrens muss neu aufgerollt werden. Zur Dauer dieses Verfahrens sagte Scholz: „Das wird sich sicher hinziehen.“

Den Anlass für den vorläufigen Stopp des Pipeline-Projekts hatte eine Entscheidung des Kreml vom Vorabend geliefert: Russland hatte die beiden Separatisten-Gebiete in der Ostukraine gegen geltendes Völkerrecht als unabhängige Staaten anerkannt und angekündigt, Truppen dorthin zu entsenden. Damit sei eine „grundlegend“ neue Situation eingetreten, die eine Neubewertung „auch im Hinblick auf Nord Stream 2“ erforderlich mache, sagte Scholz.

Auf Bitten des Kanzlers zog das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag die erst im Oktober vorgelegte Analyse der Versorgungssicherheit zurück, wie Ressortchef Robert Habeck (Grüne) sagte. Dieses Dokument stellte eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Inbetriebnahme der Pipeline dar und ist eine vom Energiewirtschaftsgesetz vorgeschriebene Voraussetzung für das weitere Zertifizierungsverfahren.

Mit der Entscheidung vollzieht Deutschland eine Kehrtwende. Die von Angela Merkel (CDU) geführte frühere Bundesregierung hatte stets argumentiert, dass Nord Stream 2 ein privatwirtschaftliches Projekt sei, das sich einer politischen Beeinflussung entziehe. Die Regierung Scholz hatte diese Argumentation zunächst übernommen.

Minister Habeck sagte nun in Düsseldorf, Russland habe mit der Anerkennung der pro-russischen Separatistengebiete einen „schweren Bruch des Völkerrechts begangen“. Eine Neubewertung des Pipeline-Projekts sei deshalb geradezu zwingend.

Für den Fall einer weiteren Eskalation stellte Scholz neue Sanktionen gegen Russland in Aussicht. Es gebe „noch weitere Sanktionen, die wir ergreifen können“, sagte er. Gleichzeitig mahnte Scholz, die diplomatischen Kanäle offen zu halten. „Knapp 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges droht ein Krieg im Osten Europas. Es ist unsere Aufgabe, eine solche Katastrophe abzuwenden und ich appelliere erneut an Russland, dabei zu helfen.“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte noch am Dienstag kurz vor Scholz‘ Pressekonferenz einen sofortigen Stopp von Nord Stream 2 gefordert. Für das Verhältnis Deutschlands zu Verbündeten wie den USA hatte das Projekt ohnehin seit Jahren eine Belastung dargestellt. Die US-Regierung begrüßte am Dienstag ausdrücklich die Entscheidung von Scholz.

Ein endgültiges Aus für Nord Stream 2 bedeutet dies aber nicht. Das Projekt könne „dann wieder auf den Tisch gelegt werden, wenn die Zeiten bessere werden“, sagte der Vorsitzende des Außenausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), bei RTL und n-tv.

Kritik an der Entscheidung kam von AfD und Linkspartei. Die AfD-Fraktion lehne Sanktionen gegen Russland grundsätzlich ab, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, Sanktionen erzielten in der Regel nicht die gewünschte Wirkung.

Auch nach der jüngsten Eskalation durch Russland hielten Außenpolitikexperten der Ampel-Koalition am Dienstag an ihrer Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine fest. Die Bundesregierung schließt Zugeständnisse in diesem Punkt bisher mit dem Argument aus, grundsätzlich keine Waffen in Krisengebiete zu liefern.

Vor der russischen Botschaft in Berlin versammelten sich am Abend etwa 200 Menschen, um gegen das Vorgehen an der ukrainischen Grenze zu protestieren, wie ein AFP-Reporter berichtete. Zu der Kundgebung hatten unter anderem die Jugendorganisationen von Union, Grünen und FDP aufgerufen.

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