Emmanuel Macron: Vom Blitzaufsteiger zum Verteidiger europäischer Souveränität

Emmanuel Macron - Bild: Ghislain Mariette / Présidence de la République
Emmanuel Macron - Bild: Ghislain Mariette / Présidence de la République

Die Macht hat ihre Spuren hinterlassen. Auf der Stirn von Emmanuel Macron zeigen sich Falten, die Gesichtszüge sind markanter geworden. Vor fünf Jahren war er mit 39 Jahren der jüngste Präsident der französischen Geschichte geworden. Das Ende seiner ersten Amtszeit prägt nun der Ukraine-Krieg, in dem er sich vergeblich für eine Deeskalation engagierte. Im Fall einer Wiederwahl will Macron eine Renten- und eine Schulreform angehen.

Dass Macron gleichermaßen unkonventionell wie beharrlich ist, zeigte er bereits als Jugendlicher, als er eine Liaison mit der Leiterin seiner Theatergruppe einging. Obwohl seine Eltern ihn von Amiens auf ein Gymnasium nach Paris schickten, hielt Macron an der Beziehung fest. Die 24 Jahre ältere Brigitte, die er 2007 heiratete, ist bis heute seine engste Beraterin.

Obwohl er die Elitehochschule ENA besuchte, zog es ihn nicht gleich in die Politik. Macron arbeitete zunächst als Investmentbanker bei Rothschild, bevor er 2012 Wirtschaftsberater des sozialistischen Präsidenten François Hollande wurde. Sein politischer Ziehvater machte ihn zwei Jahre später zum Wirtschaftsminister und war bald darauf einer der letzten, der einsehen musste, dass Macron längst den Élysée-Palast ins Auge gefasst hatte.

Als Macron seine Kandidatur verkündete, zogen viele die Brauen hoch. Er war noch nie für ein politisches Amt gewählt worden, seine Bewegung „En Marche“ war gerade mal ein paar Monate alt. Es war ein Glück für ihn, dass die beiden Volksparteien – die Sozialisten und die Konservativen – sich damals selbst zerlegten. Gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen gewann Macron 2017 problemlos in der Stichwahl.

Für Macron hieß es im wahrsten Sinne des Wortes: ab durch die Mitte. Sein erstes Kabinett war paritätisch besetzt und vereinte politische Symbolfiguren der Rechten und Linken. Sogar den damals höchst beliebten Grünen Nicolas Hulot machte er zum Minister. Ihm zuliebe versprach Macron die Verringerung der Atomkraft – woran er sich nach dessen Abschied aus dem Kabinett aber nicht mehr gebunden fühlte.

Eigenwillig und hartnäckig, so zeigte sich Macron während der ersten Amtszeit, die wegweisend mit der Europahymne vor dem Louvre begann. Macron erkämpfte sich seinen Platz auf der internationalen Bühne, übte sich im Händequetschen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und wollte den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Prunk und Protz in Versailles beeindrucken.

Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihn nur ernst nehmen würde, wenn er in Frankreich Reformen durchsetzte, war ihm klar. Es brauchte eine Weile, bis Madame Status Quo und der französische Drängler sich einander annäherten. Aber am Ende von Merkels Amtszeit brach Macron sogar den deutschen Widerstand gegen gemeinsame Schulden und brachte mit ihr das Corona-Wiederaufbaupaket in Europa auf den Weg.

Innenpolitische Erfolge waren Reformen des Arbeitsmarktes, der Bahn und der Universitäten. Heftigen Gegenwind bekam er ab 2018 jedoch von den sogenannten Gelbwesten, die erst gegen hohe Benzinpreise protestierten und dann mit allwöchentlichen Demos und Ausschreitungen das Land in Atem hielten. In der Corona-Pandemie setzte er durch, dass Frankreich seine Schulen länger offen ließ als jedes andere EU-Land.

Als Flop gilt Macrons Klimapolitik, für die er eigens Trumps Wahl-Slogan abgewandelt hatte: „Make our planet great again“ (Macht unseren Planeten wieder großartig). Von den langwierig erarbeiteten Vorschlägen eines Bürgerklimarats blieb am Ende nur wenig übrig.

Sein Hang zu flapsigen und abfälligen Bemerkungen brachte Macron immer wieder Kritik ein: Wenn er einem Arbeitslosen erklärte, er brauche nur die Straße zu überqueren, um einen Job zu finden, oder seine Lust bekundete, Nicht-Geimpften „so richtig auf die Nerven zu gehen“, dann wirkte der junge Staatschef hochnäsig. Da half es wenig, dass er danach regelmäßig Besserung gelobte.

Außenpolitisch setzt Macron sich seit seiner Sorbonne-Rede 2017 mit Missionseifer für die europäische Souveränität ein. Seit Januar nutzt er die französische EU-Ratspräsidentschaft, um die gemeinsame Verteidigung voranzubringen, was der Ukraine-Krieg nun noch beschleunigt hat.

In den Umfragen für die Präsidentschaftswahl lag Macron von Anfang an stabil vorn. Kurz vor der ersten Runde am Sonntag ist ihm die Rechtspopulistin Marine Le Pen allerdings prozentual so nahe gekommen, dass Macrons Anhänger nervös geworden sind. „Ich will keine Arroganz und keine Schicksalsergebenheit, sondern Euren vollen Einsatz“, rief Macron seinen Anhängern zu. Auf dass niemand denke, es sei schon alles gelaufen.

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