Liebesbetrug in Zeiten von Corona

Tinder - Bild: Diverse Stock Photos/CC BY-NC 2.0
Tinder - Bild: Diverse Stock Photos/CC BY-NC 2.0

Jahrelang erzählte Debby Montgomery Johnson niemandem, dass sie um mehr als eine Million Dollar betrogen worden war – von einem Mann, mit dem sie eine vermeintlich liebevolle, wenn auch nur virtuelle Beziehung führte. „Das hätte mir nicht passieren dürfen“, sagt die Unternehmerin und ehemalige US-Soldatin in Florida – ein Satz, wie man ihn von vielen Opfern der Online-Betrüger hört. Im Zuge der Corona-Pandemie ist ihre Zahl deutlich gewachsen.

Jedes Jahr werden zehntausende Menschen Opfer von Betrügern, von denen jüngst der Netflix-Dokumentarfilm „Der Tinder-Schwindler“ einen porträtierte. Noch schlimmer wurde es mit den sogenannten Romance Scams, als sich während der Lockdowns in der Corona-Pandemie Millionen einsamer Menschen dem Internet zuwandten. Nach Daten der US-Verbraucherschutzbehörde FTC wurde 2021 ein Rekordbetrag von 547 Millionen Dollar (482 Millionen Euro) durch vorgetäuschte Online-Romantik erbeutet – ein Anstieg von fast 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

In den vergangenen fünf Jahren wurden insgesamt Verluste von umgerechnet 1,3 Milliarden Dollar durch solche Betrugsfälle gemeldet – der höchste Wert aller Betrugskategorien. Nach Einschätzung der FTC ist das nur die Spitze des Eisbergs, weil die große Mehrheit der Fälle den Behörden nicht gemeldet werde. Aus Scham behalten viele Opfer ihre schmerzlichen Erfahrungen für sich.

Tim McGuinness, Gründer der Selbsthilfeorganisation Society of Citizens Against Relationship Scams (Scars), betont, die Zahlen seien während der Pandemie „aufgrund von Isolation, Einsamkeit und der Nutzung des Internets als praktisch einziges Kommunikationsmittel“ gestiegen. Auch in anderer Hinsicht spielte die Pandemie den Liebesbetrügern in die Hände: Mit einem angeblich positiven Corona-Test oder Reisebeschränkungen aufgrund von Lockdowns ließen sich geplante Treffen im letzten Moment absagen.

Ein Mann schrieb der Opferschutzorganisation Silent Victim No More, die Corona-Maßnahmen hätten seiner vermeintlichen Freundin einen Vorwand geliefert, sich aus dem Staub zu machen. Schließlich entdeckte er über die Rückwärts-Bildersuche, dass ihre Fotos von einer Unbeteiligten stammten – aber erst, nachdem er umgerechnet 400.000 Dollar für Visumsgebühren und andere vermeintlich dringende Ausgaben überwiesen hatte.

Obwohl immer mehr Selbsthilfegruppen und Online-Foren aufklären, fallen immer noch viele auf die ausgeklügelten Betrugsmaschen herein. Als Montgomery Johnson das Ausmaß das Problems erkannte, schrieb sie ein Buch über ihre Geschichte, hielt Vorträge und trat dem Scars-Vorstand bei.

In „The Woman Behind the Smile“ (Die Frau hinter dem Lächeln) schildert die Frau Anfang 60, wie sie sich nach dem Tod ihres Mannes aufs Online-Dating verlegte und zwei Jahre lang von einem Mann finanziell ausgenutzt wurde, der für sie fast zur Familie gehörte. Eigentlich sei es untypisch für sie, einfach Geld zu überweisen, doch „er zerrte wirklich an meinen Gefühlen“, schildert Johnson.

„Es ist professionelle Manipulation“, erklärt McGuinness, der selbst Liebesbetrügern aufsaß. Die Scammer, viele von ihnen in Westafrika, nehmen falsche Identitäten an und behaupten oft, dass sie im Ausland arbeiten, viel reisen oder im Militär sind – alles Erklärungen, warum sie sich nicht persönlich treffen können.

Auf eine Phase intensiven Kontakts folgen Aufforderungen, Geld für Flugtickets, Visumgebühren, medizinische Kosten oder andere Notfälle zu überweisen – immer verbunden mit dem Versprechen, eines Tages alles zurückzuzahlen. Mit diesem Modell sind die Scammer bei Dating-Apps, Instagram oder Online-Spielen am Werk. „Die Betrüger sind überall dort, wo man mit jemanden ins Gespräch kommen kann“, warnt McGuinness.

Die Zunahme von Kryptowährungen wie Bitcoins erleichtert die Täuschungsmanöver durch die Undurchsichtigkeit der Geldtransfers. Inzwischen sind auch Jüngere betroffen: Laut FTC haben sich die gemeldeten Fälle mit Opfern zwischen 18 und 29 Jahren in den USA von 2017 bis 2021 mehr als verzehnfacht.

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