Gut eine Woche vor der geplanten Abstimmung des Bundestags über die Corona-Impfpflicht verstärkt die SPD ihre Bemühungen, einen Kompromiss zu erzielen. Parteichefin Saskia Esken signalisierte am Dienstag eine Annäherung an Teile des Vorschlags der Union – holte sich damit aber bei CDU/CSU umgehend eine Abfuhr.
„Eine stufenweise Umsetzung der Impfpflicht ist ein Ansatz, dem man sich annähern kann“, sagte Esken dem Nachrichtenportal t-online.de. Auch die Forderung der Union nach einem Impfregister hält Esken für „vernünftig“. „Aber man darf es nicht zur Voraussetzung machen – denn dafür fehlt uns die Zeit. Man könnte aber parallel zur Umsetzung der Impfpflicht ein Impfregister aufbauen.“
„Insgesamt kann ich mir gut vorstellen, dass wir da zusammenkommen“, sagte Esken. Sie lehnte allerdings den Grundgedanken des Unionsvorschlags ab, erst später zu entscheiden, ob eine Impfpflicht eingeführt wird oder nicht. Die Verschiebung der Entscheidung „in die Mitte der nächsten Welle“ sei nämlich „überhaupt keine gute Idee“.
„Es ist gut, dass die SPD endlich realisiert, dass eine allgemeine Impfpflicht im Parlament keine Mehrheit hat“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), der Nachrichtenagentur AFP. Der Kompromiss der Union liege aber schon auf dem Tisch. Das „Impfvorsorgegesetz“ von CDU/CSU sei „der einzige gangbare Weg, um flexibel auf künftige Krisen zu reagieren und zugleich die Verhältnismäßigkeit zu wahren.“
„Eine starre Impfpflicht ab 18“ wäre dagegen „verfassungsrechtlich fragwürdig und wissenschaftlich angreifbar“, sagte Sorge. Der Zuspruch anderer Fraktionen zu dem Unions-Vorschlag sei „ein gutes Zeichen“. Die Beratungen im Gesundheitsausschuss kommende Woche würden zeigen, „ob die Ampel für unseren Weg des Kompromisses bereit ist“.
Im Bundestag soll am Donnerstag kommender Woche über eine Impfpflicht abgestimmt werden. Der Gesundheitsausschuss soll davor eine Beschlussempfehlung erstellen. Bislang zeichnet sich jedoch für keinen der vorliegenden fünf Anträge eine Mehrheit ab, über die ohne Fraktionszwang abgestimmt werden soll.
Hinter einer Impfpflicht für alle ab 18 stehen unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) sowie Vertreter von Grünen und FDP. Eine Beratungspflicht und eine mögliche Impfpflicht ab 50 sieht ein Antrag des FDP-Politikers Andrew Ullmann vor, der ebenfalls aus den Reihen der „Ampel“ unterstützt wird.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert stellte sich hinter diesen Antrag. „Ich unterstütze den Antrag für eine verpflichtende Impfberatung und die anschließende Möglichkeit einer Impfpflicht ab 50 Jahren, sollte die Impfquote nicht im notwendigen Maße gesteigert werden“, sagte Kühnert dem „Spiegel“. „Damit verfolge ich nach meiner festen Überzeugung das gleiche Ziel wie die Kolleginnen und Kollegen bei der Impfpflicht ab 18. Wir wollen eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern.“
Die Unionsfraktion will ihrerseits eine „gestufte“ Regelung – eine Impfpflicht könnte demnach für bestimmte Alters- oder Berufsgruppen vorgeschrieben werden. Dazu wäre aber ein gesonderter Beschluss nötig, weshalb die Union von einem „Impfvorsorgegesetz“ spricht. Schließlich gibt es noch zwei Gruppenanträge, die eine Impfpflicht komplett ausschließen.