Diplomatischer Affront: Kiew lehnt geplanten Besuch Steinmeiers ab

Wolodymyr Selenskyj - Bild: Office of the President of Ukraine
Wolodymyr Selenskyj - Bild: Office of the President of Ukraine

Diplomatischer Affront gegen den Bundespräsidenten: Ein Besuch des deutschen Staatsoberhauptes Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine ist von der Führung in Kiew abgelehnt worden. Eine gemeinsame Visite mit seinem polnischen Kollegen Andrzej Duda und den Staatschefs der Baltenländer sei in Kiew offenbar „nicht gewünscht“, sagte der Bundespräsident am Dienstag während eines Besuchs in Warschau. Sein Treffen mit Duda stand im Zeichen des Ukraine-Kriegs: Steinmeier verurteilte die russische „Barbarei“ in der Ukraine und würdigte den Einsatz Polens bei der Aufnahme von Flüchtlingen.

Duda habe angeregt, dass die Präsidenten Polens, Deutschlands, Estlands, Lettlands und Litauens gemeinsam nach Kiew reisen, sagte Steinmeier in Warschau. „Ich war dazu bereit, aber offenbar – und ich muss zur Kenntnis nehmen – war das in Kiew nicht gewünscht“, sagte der Bundespräsident.

Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Besuch des Bundespräsidenten in Kiew abgelehnt habe. Grünes Licht gab die Kiewer Führung hingegen für den Besuch mehrerer Bundestagsabgeordneter: Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der SPD-Außenpolitiker Michael Roth und der grüne Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter, reisten am Dienstag in die Ukraine.

Roth äußerte sich „sehr enttäuscht“ über die Absage Kiews an einen Besuch des Bundespräsidenten. „Ich konnte es anfangs gar nicht glauben. Gerade jetzt ist es doch wichtig, im Gespräch zu bleiben“, sagte der SPD-Politiker dem „Spiegel“.

Steinmeier hatte in seinen früheren Ämtern eine russlandfreundliche Politik verfolgt und auch das umstrittene und von der Ukraine besonders scharf kritisierte Projekt der Gaspipeline Nord Stream 2 unterstützt. Vor einer Woche räumte er dann Fehler seiner Politik ein und erklärte, dass er sich im russischen Präsidenten Wladimir Putin getäuscht habe.

Zuvor hatte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, dem Bundespräsidenten vorgeworfen, „seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft“ zu haben. Er bezog sich dabei vor allem auf Steinmeiers frühere Tätigkeiten als Bundesaußenminister und Kanzleramtsminister.

Melnyk sprach sich am Dienstag nun für einen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Ukraine aus. Es sei wichtig, „dass der Regierungschef nach Kiew kommt“, sagte er den Sendern ProSieben und Sat.1.

Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko, Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko, kritisierte die Entscheidung der ukrainischen Regierung. Gerade jetzt sei es „enorm wichtig“, dass die Ukraine mit Deutschland und der EU „eine klare gemeinsame Front gegen die russische Invasion“ zeige, sagte Klitschko der „Bild“-Zeitung. Er hoffe, dass der Besuch des Bundespräsidenten nur aufgeschoben sei. Steinmeier habe zwar Fehler gemacht, er habe sie aber eingestanden und sich entschuldigt.

Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, äußerte Bedauern über die Absage Kiews. „Die Reise des Bundespräsidenten nach Kiew wäre ein deutliches außenpolitisches Zeichen der Solidarität gewesen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe).

Steinmeier würdigte bei seinem Besuch in Polen die große Aufnahmebereitschaft des Landes gegenüber den vielen ukrainischen Flüchtlingen. Polen ist das Hauptankunftsland für ukrainische Flüchtlinge, mehr als 2,6 Millionen Schutzsuchende kamen dort bereits an.

Die polnische Regierung hatte zuletzt scharfe Kritik an Deutschlands Haltung in der Debatte über weitere Sanktionen gegen Moskau geübt und mehr deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert.

„Es ist gar keine Frage, dass wir in Deutschland gemeinsam mit den Nachbarn alles unternehmen müssen, um den wirtschaftlichen Druck auf Russland zu erhöhen“, sagte Steinmeier dazu in Warschau. Deutschland unternehme den Versuch, die Energielieferungen aus Russland „so schnell wie möglich“ zu reduzieren. Mit Blick auf die deutsche Wirtschaftsstruktur gehe es aber „nicht ganz so rasch, wie manche sich das gegenwärtig wünschen“, räumte er ein.

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