Europa fürchtet den „Frexit“ mit Le Pen

Europaparlament - Bild: Klaus Schächner/CC BY-NC 2.0
Europaparlament - Bild: Klaus Schächner/CC BY-NC 2.0

Das Schreckgespenst eines „Frexit“ geht um in Europa: Vor der entscheidenden Runde der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag steigt in Europa die Angst vor einem möglichen Wahlsieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron. Zwar bestreitet die 53-Jährige, dass sie Frankreich aus der Europäischen Union führen will. Aber ihre Pläne lesen sich wie eine Blaupause dafür. Auch die deutsch-französische Partnerschaft stünde mit Le Pen vor einer Zerreißprobe.

In einem beispiellosen Schritt schaltete sich nun sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die französische Präsidentschaftsdebatte ein: Er warnte die französischen Wähler in einem Gastbeitrag in der Zeitung „Le Monde“ unverhohlen vor Le Pen. Sie sei die „Kandidatin der extremen Rechten, die sich offen mit denen solidarisiert, die unsere Freiheit und Demokratie angreifen“, schrieben Scholz und die sozialistischen Regierungschefs von Spanien und Portugal, Pedro Sánchez und António Costa.

Kein Blatt vor den Mund nimmt auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn, mit 72 Jahren der dienstälteste der EU. Er sieht Frankreich in einer „Art politischem Bürgerkrieg“ und warnt im Fall eines Le-Pen-Siegs vor irreparablen Schäden an der „Essenz“ des Friedens- und Werteprojekts EU.

Die beiden Kandidaten und ihre Programme könnten nicht konträrer sein: Auf der einen Seite der oft als „Visionär“ gerühmte Macron, der kurz nach seinem Wahlsieg 2017 ein ehrgeiziges EU-Reformprogramm vorlegte – von dem mangels deutscher Unterstützung aber einiges im Sande verlief.

Auf der anderen Seite die älteste Tochter des französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen, welche „die Europäische Union in die Schranken weisen“ will. Sie brandmarkt die EU als „illegitime supranationale Struktur“ und droht mit milliardenschweren Mittelkürzungen.

Pläne für einen „Frexit“ bestreitet Le Pen. Sie stehe vielmehr für ein „Europa souveräner Staaten“, betonte sie im Fernsehduell gegen Macron am Mittwochabend. Mit denselben Worten bewarb allerdings der Mitbegründer der Brexit-Partei, Nigel Farage, seine Pläne. Le Pen argumentiert wie Farage, ihr Land müsse die Kontrolle über sein Schicksal und sein Geld zurückerlangen.

Le Pens Versprechen eines Verfassungs-Referendums hat ebenfalls einen EU-feindlichen Hintergrund: Nach ihren Worten sollen damit „alle europäischen Texte, die gegen unser oberstes Gesetz stehen, keine Anwendung in Frankreich mehr finden“.

Vorbild ist das nationalkonservativ regierte Polen: Dort hatte das Verfassungsgericht den Vorrang von Europa-Recht gegenüber nationalem Recht im Oktober in einem historischen Urteil in Frage gestellt. Eine Allianz strebt Le Pen zudem mit dem wiedergewählten ungarischen Regierungschef Viktor Orban an. Dieser liegt mit Brüssel schon seit Jahren wegen seines Vorgehens gegen unabhängige Medien wie Minderheiten im Clinch.

Für den deutsch-französischen „Motor“ der EU würde ein Wahlsieg Le Pens wenig Gutes verheißen: Sie wirft Deutschland vor, für „die absolute Verneinung der französischen strategischen Identität“ zu stehen. Sobald der Ukraine-Krieg beendet sei, wolle sie für eine „strategische Annäherung“ zwischen Russland und der Nato werben, sagt Le Pen. Die viel beschworene Einigkeit der EU gegenüber Moskau wäre damit dahin.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Le Pen eilig Wahlbroschüren einstampfen lassen, in denen sie an der Seite von Präsident Wladimir Putin zu sehen war. Aber lange hatte sie Putin hofiert und Medienberichten zufolge Millionenkredite von russischen Banken erhalten.

Auf Begeisterung stoßen Le Pens Ansichten bei der AfD und der rechtsextremen Lega-Partei in Italien, die mit Le Pens Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) in einer Fraktion im Europaparlament sitzen. Das „ganze vernünftige Europa“ unterstütze Le Pen in der Stichwahl, twitterte der AfD-Europaabgeordnete Gunnar Beck.

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