Klimaschutz als stahlharte Aufgabe

Klimaschutz
Klimaschutz

Bis 2050 wollen zahlreiche Länder klimaneutral sein, in Deutschland soll es bereits 2045 so weit sein. Wie dringend nötig ein klimafreundlicher Umbau der Wirtschaft ist, hebt auch der neue Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC hervor. Für energieintensive Branchen wie die Stahlindustrie ist das allerdings eine riesige Herausforderung. Im größten Stahlwerk Europas im nordfranzösischen Dünkirchen wird daher die Abscheidung des Treibhausgases CO2 getestet.

Statt die Abgase des Hochofens in dem ArcelorMittal-Werk in die Atmosphäre zu blasen, werden sie durch gelbe Rohre in einen rund 20 Meter hohen Metallturm geleitet. Dort werden die Abgase in einem Labyrinth aus Röhren und Säulen mit einem Lösungsmittel gefiltert. Das Kohlendioxid wird vom Stickstoff getrennt und schließlich abgeschieden.

Das Verfahren soll eine Stahlproduktion ermöglichen, bei der keine klimaschädlichen CO2-Emissionen freigesetzt werden. Eine solche Umstellung ist dringend geboten, denn laut IPCC dürfte sich die Erde bis zum Ende unseres Jahrzehnts bereits um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmt haben. Noch heißer soll es auf der Erde laut Pariser Klimaabkommen möglichst nicht werden.

ArcelorMittal, der zweitgrößte Stahlproduzent der Welt, will bis 2050 CO2-neutral werden. Bis 2030 will er seine Emissionen weltweit um 25 Prozent verringern, in Europa um 35 Prozent und in Frankreich um 40 Prozent. Eine enorme Aufgabe, wie der Leiter für Dekarbonisierung von ArcelorMittal Frankreich, Emmanuel Deneuville, hervorhebt. Schließlich würden derzeit bei der Produktion einer Tonne Stahl 1,8 Tonnen CO2 freigesetzt.

Die CO2-Abscheidung ist aber nur eine von mehreren Klimaschutz-Methoden bei ArcelorMittal. Sie komme bei „nicht reduzierbaren Emissionen, die man nicht vermeiden kann“, zum Einsatz, sagt Florence Delprad-Jannaud vom französischen Forschungsinsitut IFPEN Energies Nouvelles, die das CO2-Abscheidungsprojekt mitentwickelt hat. Eine andere Klimaschutzmaßnahme ist eine massive Ausweitung des Recyclings von Stahl. Außerdem bereitet ArcelorMittal sich darauf vor, Kohle zum Heizen der Hochöfen durch Wasserstoff zu ersetzen.

Bei dem Gasabscheidungs-Pilotprojekt in Dünkirchen werde derzeit eine halbe Tonne CO2 pro Stunde abgeschieden, sagt Delprad-Jannaud. Die so behandelten Abgase seien damit „zu 90 Prozent gereinigt“. Wenn das Verfahren im industriellen Umfang angewendet werden kann, seien es 150 Tonnen CO2 pro Stunde und damit eine Million Tonnen jährlich. 2025 soll es so weit sein.

Wegen ihrer Schwerindustrie ist Dünkirchen die Stadt mit dem höchsten Treibhausgasausstoß in Frankreich. Der Energiekonzern Total plant, abgeschiedenes CO2 zusammen mit dem anderer interessierter Firmen in der chemischen und der Zementindustrie in verflüssigter Form nach Norwegen zu verschiffen und dort dauerhaft einlagern in unterirdischen Höhlen einlagern zu lassen, die durch die Öl- und Gasförderung entstanden sind.

„2021 wurden auf diese Weise weltweit 40 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden und gelagert“, sagt Philippe Llewellyn von TotalEnergies. Derzeit gebe es etwa 20 solcher Projekte in aller Welt.

Das Unschädlichmachen von CO2 kostet allerdings Geld. „Es gibt Lösungen, um industrielles CO2 unschädlich zu machen“, sagt Michel Jacob, der für die Beratungsfirma Roland Berger eine Studie zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie erstellt hat. „Aber jemand muss dafür zahlen. Wer ist bereit, dafür zu zahlen? Der Verbraucher? Der Steuerzahler?“

Aus den CO2-Emissionen der Stahlindustrie könnte aber auch ein neuer Rohstoff entstehen. So will der Energiekonzern Engie in Dünkirchen mit dem US-Elektro-Treibstoff-Hersteller Infinium aus dem Kohlendioxid der ArcelorMittal-Abgase einen Treibstoff für die Raumfahrt entwickeln. Das Projekt trägt den Namen Reuze – abgeleitet von dem englischen Wort „reuse“ für „wiederverwenden“. Die endgültige Entscheidung über das mehr als 500 Millionen Euro teure Projekt soll aber erst 2023 fallen.

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