Macron bekommt eine zweite Chance an der Spitze eines gespaltenen Frankreichs

Emmanuel Macron - Bild: Mutualité Française/FNMF/N. MERGUI
Emmanuel Macron - Bild: Mutualité Française/FNMF/N. MERGUI

Zu den Klängen der Europahymne wie 2017 zieht der frisch wiedergewählte französische Präsident Emmanuel Macron zum Podium am Fuß des Eiffelturms. Anders als damals legt er den Weg am Sonntagabend aber nicht allein, sondern Hand in Hand mit seiner Frau Brigitte und umgeben von Kindern seiner Wahlkampfhelfer zurück. Die Botschaft ist klar: Europa bleibt wichtig, und Macron will sich volksnäher zeigen als bisher.

Ein Aufatmen geht durch weite Teile Frankreichs und Europas. Wieder einmal ist die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit ihren Ambitionen auf das Präsidentenamt gescheitert. Ihr Sieg hätte massive Folgen für Europa und nicht zuletzt für die deutsch-französische Zusammenarbeit gehabt.

Obwohl Macron in den Umfragen während des gesamten Wahlkampfs vorn lag, zitterten viele überzeugte Europäer bis zuletzt. Le Pen war nie zuvor so nah an der Macht gewesen. Die Zahl der Unentschiedenen war hoch, und die Erinnerung an den Brexit und den Wahlsieg Donald Trumps 2016 noch frisch.

Es ist das erste Mal seit dem Sieg Chiracs 2002, dass ein französischer Präsident wiedergewählt wurde. Macrons Sieg fällt mit etwa 58 Prozent deutlich aus – aber niedriger als vor fünf Jahren. Und noch geringer als der Sieg von Jacques Chirac gegen den rechtsextremen Jean-Marie Le Pen 2002.

Andersherum betrachtet: Vater und Tochter Le Pen sind in drei Stichwahlen von 18 auf 34 und nun auf rund 42 Prozent geklettert. Zudem hat die Zahl der Nichtwähler mit 28 Prozent den höchsten Wert seit 1969 erreicht.

Die „Wut und die abweichende Meinung“ der Le-Pen-Wähler habe eine Antwort verdient, sagt Macron in seiner Ansprache am Wahlabend, in der er auf triumphierende Töne verzichtet. „Ich bin Präsident aller“, betont er. Er sei sich bewusst, dass ihn viele gewählt hätten „nicht weil sie von meinem Projekt überzeugt sind, sondern weil sie Rechtsextremismus verhindern wollten“.

Macron bekommt eine zweite Chance an der Spitze eines zutiefst gespaltenen Landes. In der ersten Runde hatten 58 Prozent der Franzosen für extreme oder populistische Kandidaten gestimmt.

Unter Macrons Wählern sind überdurchschnittlich viele ältere und wohlhabendere Menschen mit guten Abschlüssen. Je jünger und ärmer Franzosen sind und je abgehängter sie sich fühlen, desto eher haben sie für Le Pen gestimmt, die großzügige Wahlkampfversprechen gemacht hat.

Le Pen zeigt sich nach ihrer Niederlage kämpferisch. „Die Partie ist noch nicht entschieden“, sagt sie mit Blick auf die Parlamentswahlen im Juni, die in Frankreich als „dritte Runde“ gelten. Tatsächlich könnte es für Macron schwierig werden, seine Regierungsmehrheit zu behalten.

Viele EU-Partner Frankreichs atmen am Sonntagabend aber erstmal tief auf – nicht zuletzt wohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er hatte in einem ungewöhnlichen Schritt gemeinsam mit den Regierungschefs aus Spanien und Portugal die Franzosen eindrücklich zur Wahl Macrons aufgerufen. Scholz war dann auch der erste ausländische Staatenlenker, der Macron telefonisch zum Wahlsieg gratulierte.

Le Pen hatte angekündigt, im Fall ihres Wahlsiegs die deutsch-französischen Rüstungsprojekte aufzukündigen. Sie stand auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs wegen ihrer Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Kritik. Nun bietet sich möglicherweise demnächst eine Gelegenheit zu einer gemeinsamen Reise von Scholz und Macron nach Kiew.

Macron wird in den nächsten Tagen Premierminister Jean Castex ablösen. Als Nachfolgerin im Gespräch ist Arbeitsministerin Elisabeth Borne. Sie wäre dann auch für die großen Linien der Umwelt- und Klimapolitik zuständig – ein Thema, bei dem Macron viele Anhänger bislang arg enttäuscht hat.

Der Präsident ist sich bewusst, dass er viele Dinge anders angehen muss. „Es wird keine Fortsetzung des ersten Mandats“, verspricht er. „Wir müssen wohlwollend und respektvoll sein, unser Land ist von Zweifeln durchdrungen und gespalten.“ Es ist ein Neuanfang mit bescheidenen Tönen.

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