Verfassungsschutzbericht 2022: Extremistische Straftaten in Deutschland auf Höchststand

Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesamt für Verfassungsschutz - Bild: über dts Nachrichtenagentur
Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesamt für Verfassungsschutz - Bild: über dts Nachrichtenagentur

Die Zahl der Straftaten mit extremistischem Hintergrund in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand gestiegen. Wie aus dem am Dienstag vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2022 hervorgeht, wurden insgesamt 35.452 Straftaten gezählt, 2021 waren es noch 33.476. Bei 2.847 (2021: 2.994) davon handelte es sich demnach um Gewalttaten. „Der Verfassungsschutzbericht verdeutlicht erneut die Gefahren für die Innere Sicherheit in Deutschland: Spionage, Cyberoperationen und Einflussnahmeversuche ausländischer Nachrichtendienste sind hemmungsloser und ausgefeilter geworden“, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang.

„Extremisten nutzen Krisen, um in der bürgerlichen Mitte Anschluss zu finden und teilen dabei auch Verschwörungsmythen, Desinformation und Propaganda“, fügte er hinzu. Die Bedrohung durch Spionage, illegitime Einflussnahme, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe hat sich laut des Berichts, auch durch den Ukraine-Krieg, weiter verschärft. Die Hauptakteure dieser gegen Deutschland gerichteten Aktivitäten seien mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten Russland, China und der Iran.

Im Bereich der Desinformation würden Verbreitungskanäle im Bereich der sozialen Medien von staatlichen oder staatsnahen Akteuren verstärkt genutzt, um dort ihre Inhalte und Narrative an einen möglichst großen Personenkreis zu verbreiten. „Der verbrecherische russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Sicherheitslage in ganz Europa verändert“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Man habe „starke Maßnahmen“ ergriffen, um sich gegen Spionage, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe zu wappnen, so die Ministerin.

Im Rechtsextremismus ist das Personenpotenzial laut BfV weiter angewachsen und liegt bei 38.800 (2021: 33.900). Auch der Anteil der gewaltbereiten Rechtsextremisten sei abermals auf nunmehr 14.000 (2021: 13.500) gestiegen. Seien Anfang 2022 noch die Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen von Rechtsextremisten instrumentalisiert worden, seien im Herbst und Winter die Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine, wie hohe Inflation und eine drohende Energiekrise, Themenschwerpunkte ihrer Agitation gewesen.

Nachdem dies in der breiten Bevölkerung nicht verfangen habe, würde das Thema Migration wieder verstärkt von Rechtsextremisten aufgegriffen. „Der Rechtsextremismus ist weiterhin die größte extremistische Bedrohung in Deutschland“, so Faeser. Besondere Sorge mache ihr, dass Angriffe auf Geflüchtete wieder stark zugenommen haben.

„Es ist abscheulich, Menschen anzugreifen, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror suchen.“ Das Personenpotenzial der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sei im Vergleich zum Vorjahr erneut um 2.000 Personen auf insgesamt 23.000 angewachsen. Das gewaltorientierte Personenpotenzial der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ liege bei 2.300 Personen (2021: 2.100).

Dieser Anstieg sei auch im Berichtsjahr 2022 noch ganz wesentlich auf die Proteste gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen zurückzuführen. Soweit „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine thematisierten, kämen überwiegend Narrative der russischen Staatspropaganda zum Tragen. Das linksextremistische Personenpotenzial sei im Jahr 2022 auf insgesamt 36.500 Personen gestiegen (2021: 34.700), heißt es in dem Bericht weiter.

Mehr als jeder vierte Linksextremist sei als gewaltorientiert einzuschätzen. Einzelne besonders erhebliche Angriffe, zahlreiche Körperverletzungen und regelmäßig verursachte hohe Schadenssummen durch Brandstiftungen oder Sachbeschädigungen zeigten das unverändert hohe Gefahrenpotenzial durch Linksextremisten. „Auch im Bereich des Linksextremismus sind die Hemmschwellen gesunken, politische Gegner, aber auch die Polizei mit großer Brutalität anzugreifen. Deshalb handeln wir auch hier so entschieden“, sagte Faeser. Im Vergleich zum Vorjahr ergebe sich im Bereich Islamismus und islamistischer Terrorismus ein leicht verringertes Personenpotenzial von 27.480 Personen (2021: 28.290). Dennoch sei das Bedrohungspotenzial durch den islamistischen Terrorismus nach wie vor hoch.

Die salafistische Szene zeige sich nach der Pandemie wieder aktiver. Insbesondere auch der Identifizierung sowie Aufklärung von Finanzaktivitäten islamistischer sowie extremistischer Einzelpersonen und Organisationen komme eine besondere Bedeutung zu. Das Personenpotenzial im auslandsbezogenen Extremismus belief sich laut Bericht im Jahr 2022 auf insgesamt 29.750 Personen (2021: 28.650) und sei somit im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent angestiegen.

Die zahlenmäßig bedeutsamste Organisation in Deutschland sei weiterhin die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) mit 14.500 Anhängern. Die Straftaten mit einem auslandsbezogenen extremistischen Hintergrund hätten das zweite Jahr in Folge zugenommen. Im Jahr 2022 fiel der Anstieg auf nunmehr 1.974 Delikte (2021: 776) besonders deutlich aus. Nahezu eine Verdopplung zeige sich bei den Gewaltdelikten (226 Delikte; 2021: 116). Den größten Anteil an der Gesamtzahl der Straftaten hätten die 1.229 Delikte, die 2022 in diesem Phänomenbereich in Deutschland im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erfasst worden sind. Haldenwang sagte dazu: „Auch wenn der Rechtsextremismus unverändert die größte Gefahr für unsere Demokratie darstellt, ist auch im islamistischen Terrorismus besondere Wachsamkeit geboten.“ Ferner stelle man fest, dass Grenzen innerhalb von Phänomenbereichen verschwämmen und sich Mischszenen bildeten.

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FLASH UP | Quelle: dts Nachrichtenagentur
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