Das bayerische Verfassungsschutzgesetz ist in seiner aktuellen Form nicht verfassungsgemäß. Der Freistaat muss nachbessern, wie das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe entschied. Ein Überblick über einzelne Punkte:
WOHNRAUMÜBERWACHUNG
Laut Gesetz darf der Verfassungsschutz unter bestimmten Voraussetzungen heimlich Wohnungen akustisch oder optisch überwachen. Hier beanstandete der Erste Senat unter anderem, dass dies zwar nur bei Anhaltspunkten für eine „dringende Gefahr“ gilt, aber nicht auf das Ziel der „Abwehr“ einer Gefahr ausgerichtet sei.
Die Regelung kann bis Ende Juli 2023 abgeändert bestehen bleiben – „zur Abwehr einer dringenden Gefahr“ für die Sicherheit von Bund oder Land, Leib und Leben eines Menschen oder Dingen, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Das gelte nur dann, wenn polizeiliche Hilfe sonst nicht rechtzeitig zu bekommen sei, erklärte das Gericht.
ONLINEDURCHSUCHUNG
Hier geht es um den verdeckten Zugriff auf fremde Computer mittels einer speziellen Software, dem sogenannten Staatstrojaner. Die Regelung verweist auf den Paragrafen zur Wohnraumüberwachung und teile dessen Mängel weitgehend, erklärte das Bundesverfassungsgericht.
Zwar seien die Anforderungen an den Kernbereichsschutz – also die absolut geschützte Privatsphäre – bei der Erhebung der Daten erfüllt, nicht aber bei der Auswertung. Für die Onlinedurchsuchung stellt das Gericht die gleichen Anforderungen auf wie für die Wohnraumüberwachung, dann kann die Regelung vorläufig weiter gelten.
HANDYORTUNG
Hier bemängelt Karlsruhe, dass die Befugnis zu weit gefasst sei. Eine lange andauernde Überwachung sei möglich, ohne dass die Voraussetzungen dafür genau genug definiert würden. Zudem fehle eine unabhängige Vorabkontrolle. Auch die Norm kann bis Ende Juli kommenden Jahres gelten, allerdings dürfen die Bewegungen eines konkreten Handys nicht über einen längeren Zeitraum nachverfolgt werden.
V-LEUTE
Die Eingriffsschwelle für den Einsatz verdeckter Mitarbeiter sei nicht genau genug geregelt, erklärte das Gericht. Der Kreis zulässiger Adressaten der Überwachung müsse begrenzt werden, wenn diese gezielt gegen bestimmte Menschen gerichtet sei. Auch hier bemängelt Karlsruhe eine fehlende unabhängige Vorabkontrolle.
Das Gericht entschied, dass der Einsatz von V-Leuten höchstens sechs Monate dauern dürfe – außer bei der Erforschung von Plänen zur möglichen Begehung besonders schwerer Straftaten, die sich beispielsweise gegen die Sicherheit der Bundesrepublik richten.
OBSERVATION AUẞERHALB DER WOHNUNG
Diese ist laut Gesetz mithilfe technischer Mittel unter bestimmten Umständen länger als zwei Tage oder an mehr als drei Tagen pro Woche möglich. Solche Aufnahmen dürfen aber nur dann gemacht werden, wenn dies zur Erforschung von Plänen für besonders schwere Straftaten möglich ist, wie die Richterinnen und Richter entschieden.
WEITERGABE VON DATEN
Auch diese soll nur bei einem Verdacht auf die Planung besonders schwerer Straftaten zum Schutz eines Rechtsguts „von herausragendem öffentlichem Interesse“ zulässig sein.
ZUGRIFF AUF DATEN AUS VORRATSDATENSPEICHERUNG
Laut bayerischem Gesetz sollte der Verfassungsschutz zur Abwehr einer konkreten Gefahr solche Auskünfte einholen dürfen. Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland aber ohnehin ausgesetzt, die nationale Regelung liegt beim Europäischen Gerichtshof. Die Ampelregierung im Bund will sie durch ein anderes Verfahren ersetzen. Die bayerische Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht nun für nichtig erklärt.