Die Grünen warnen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Vorfeld des Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland vor Zugeständnissen. „Es ist schlichtweg nicht die Zeit für neue Versprechungen aus dem Bundeskanzleramt gegenüber der Türkei“, sagte der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Max Lucks (Grüne), den Zeitungen der „Mediengruppe Bayern“. Scholz dürfe etwa, was die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei angehe, „kein Blatt vor den Mund nehmen“.
Vor allem müsse die EU mehr darauf drängen, die Fluchtursachen für die Menschen in Syrien und dem Irak zu verhindern. „Völkerrechtswidrige Angriffe der Türkei auf kurdische Gebiete in den Nachbarländern schaffen neue Fluchtursachen. Das muss auch der Kanzler ansprechen.“
Daneben muss Scholz aus Sicht des Grünen-Politikers Erdogans provozierende Aussagen zu Israel ansprechen: Das Bundeskanzleramt sei genau der richtige Ort, den Stopp von „aufstachelnden Sätzen“, die auch an türkischstämmigen Mitbürger adressiert seien, einzufordern. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, setzt unterdessen auf eine vermittelnde Rolle der Türkei im Südkaukasus: „Darüber hinaus erwarten wir von der Türkei, dass sie im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan die Rolle des Scharfmachers verlässt und in die des Friedenstifters wechselt. Die Türkei muss vermitteln, damit ein Friedensvertrag zwischen den beiden Staaten möglich wird“, sagte Schmid der „Mediengruppe Bayern“.
Mit Blick auf eine mögliche Neuauflage des EU-Türkei-Deals sagte Schmid, dass die EU finanzielle Zusagen machen müsse, die sich im Rahmen der bisherigen Zahlungen bewegten. „Ob ein Deal zustande kommt, wird vor allem vom finanziellen Angebot der EU abhängen. Die Größenordnung der Gelder, die die EU bisher für die Flüchtlinge in der Türkei ausgegeben hat, wird man in jedem Fall wieder erreichen müssen“, so Schmid.
Laut dem „siebten Jahresbericht der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei“ der EU-Kommission vom 22. September wurden der Türkei seit 2011 EU-Hilfen von fast zehn Milliarden Euro bereitgestellt. Sechs Milliarden Euro zwischen 2016 und 2019. Zwischen 2021 und 2023 sollen weitere drei Milliarden fließen. „Die Türken kämpfen mit einer hausgemachten Wirtschaftskrise und sind deshalb umso mehr auf Gelder für die Versorgung der Flüchtlinge im Land aus der EU angewiesen.“
Schmids CDU-Kollege Jürgen Hardt fordert die EU auf, „kluge Vorschläge“ zu erarbeiten: „Hilfen für die türkische Wirtschaft und gegen die enorme Inflation könnten ein Schlüssel sein. Aus Brüssel höre ich, dass andere EU-Länder auf die deutschen Vorschläge warten, um eine gemeinsame EU-Position formulieren zu können.“