Dieses Bild zeigt keine Bestrafung im alten Ägypten

Hunderte User haben Mitte März erneut ein Bild geteilt, das eine gesundheitsschädigende Bestrafung aus dem alten Ägypten zeigen soll, die Corona-Tests ähnlich sei. Das Bild existiert tatsächlich, es zeigt allerdings eine Augenbehandlung. Expertinnen und Experten sind sich einig, dass Corona-Tests das Gehirn nicht schädigen.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben im März erneut das angebliche Bestrafungsbild geteilt, das sich schon 2020 verbreitet hatte (hierhierhierhier). Manche Postings behaupten außerdem, die historische Bestrafung richtete sich gezielt gegen Sklaven (hierhier).

Auf Papyrus ist ein Mann zu sehen, der hockend einer zweiten Person einen Stab ins Gesicht hält. Bei dieser Prozedur sei angeblich die „He(m)atoenzephalititsdrüse“ verletzt worden, was zum Tod führen könne, heißt es in den Postings. „Wenn diese Barriere, welche eine dünne Schicht aus Zellen ist, beschädigt oder durchbrochen wird, können Bakterien, Viren oder andere Erreger direkt ins Gehirn wandern und dieses schädigen. Der Schaden ist nicht wieder zu reparieren und bleibt.“

Dazu steht ein Vergleich zu aktuellen Corona-Tests: „Nun wird dies von den Leitmedien bestritten und dies passiert während eines Tests zu Covid-19, aber es gibt mittlerweile immer mehr Fälle, wo direkt nach dem Test Hirnwasser aus der Nase ausgetreten ist und auch viele Fälle wo sich Wochen danach plötzlich eine Hirnhautentzündung breit gemacht hat.“

Die Behauptung verbreitete sich auch auf EnglischFranzösischPolnischUngarisch und Bosnisch.

Facebook-Screenshot: 25.03.2021

Woher stammt die Zeichnung und was zeigt sie?

Eine Rückwärtssuche nach dem Bild führte AFP zur Fotoagentur „Getty Images“ (hier), sowie zu Webseiten über Ägypten (hier) und historische medizinische Praktiken (hier). Getty Images beschreibt: Das Bild zeige einen Ophtalmologen, also Augenheilkundigen, bei der Behandlung eines Patienten. Außerdem handele es sich bei dem Papyrus um eine Kopie „eines Freskos aus dem thebanischen Grab von Ipuy“.

Die polnische Archäologin Halszka Przychodzeń erklärte AFP die Hintergründe der Zeichnung bereits am 14. Dezember 2020 genauer: „Es handelt sich um eine Zeichnung aus dem Relief des Grabes Nr. TT 217, in der Arbeitersiedlung in Deir el Medina in Ägypten. Ein in dem Grab begrabener Mann hieß Ipuy und war einer der Erbauer von Königsgräbern im berühmten Tal der Könige während der 19. Dynastie, etwa 1279-1213 vor Christus.“

Das im Posting verwendete Bild ist ein Ausschnitt aus einem viel größeren Gemälde, das auf der Website des Metropolitan Museum of Art in New York eingesehen werden kann.

Postingbild links, rechts das Gesamtbild (Quelle: Metropolitan Museum of Art, Hervorhebungen durch AFP)

„Das ist definitiv keine Szene einer Sklavenbestrafung“, fügte Archäologin Przychodzeń an. Sie betreibt die Facebookseite „Ägyptische Mumien und Paläopathologie“, die sich mit Krankheiten in früheren Epochen beschäftigt. „Im alten Ägypten gab es, im Gegensatz zum alten Rom, praktisch keine Sklaven. Es ist zum Beispiel falsch zu glauben, dass Sklaven die Pyramiden gebaut haben“, sagte sie AFP. Diese sind von gewöhnlichen Menschen erbaut worden, die Vermutung der Sklavenarbeit stammt von Geschichtsschreiber Herodot.

Stattdessen zeige das größere Bild, aus dem die Szene im aktuell geteilten Beitrag entnommen ist, verschiedene Stadien des Baus von Ipuys Grabmal, sagte Przychodzeń: „Jemand klettert, jemand bohrt etwas, misst, dekoriert. Auch Unfälle bei der Arbeit werden gezeigt. Man sieht zwei medizinische Eingriffe: das Einrenken einer verletzten Schulter (im roten Kreis rechts oben) und den Augenarzt, der einen Fremdkörper aus dem Auge entfernt (im roten Kreis links unten)“, erklärte sie.

Marie-Hélène Marganne ist Direktorin des Dokumentationszentrums für literarische Papyrologie (CEDOPAL) in Belgien und beschäftigt sich schon länger mit Augenheilkunde im alten Ägypten. Sie sagte am 22. Dezember gegenüber AFP ebenfalls, dass man bei der Interpretation des Freskos vorsichtig sein müsse: „Die Zeichnung, die in den sozialen Netzwerken kursiert, ist sehr verändert.“

Coronatests schädigen das Gehirn nicht

Es gibt verschiedene Arten von Coronatests. Serologische Antiköpertests überprüfen, ob der Körper nach einer Infektion Abwehrstoffe im Blut gebildet hat, die Gurgel- oder Spucktests untersuchen eine Gurgelprobe auf eine Infektion.

Zum aktuellen Posting passen vor allem zwei Testmethoden: Antigen-Schnelltests und PCR-Tests. Beide entnehmen mit einem Stäbchen eine Probe aus dem Nasen- oder Rachenraum, die dann auf die Geninformation des Virus (beim PCR-Test) oder das Virus umgebende Proteine (beim Antigentest) untersucht werden.

Die von den Postings angesprochene Hämatoenzephalitisdrüse gibt es allerdings gar nicht. Die Silbe „Hämato“ kommt vom griechischen Wort für Blut und eine Enzephalitis ist eine Gehirnentzündung. „Eine Hematoenzephalitisdrüse gibt es nicht“, bestätigte Ulrich Jäger, Leiter der Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie an der Universitätsklinik Wien. Anhand der Beschreibung in den Postings ist vermutlich die Blut-Hirn-Schranke gemeint.

Die Blut-Hirn-Schranke trenne das Gehirn vom Blutkreislauf, erklärte der Facharzt für Lungenerkrankungen von der Medizinischen Universität Warschau, Piotr Korczyński, gegenüber AFP im Juli 2020. „Die Schranke ist dicht und verhindert den Fluss der meisten Substanzen aus dem Blut ins Gehirn“, sagte er.

Korczyński führte weiter aus: „Der Nasenabstrich bei der Sars-CoV-2-Probenahme ist unangenehm und etwas schmerzhaft, weil die Nasenhöhle reichlich von Nerven durchzogen ist. Dennoch wird diese Methode der Probenahme bevorzugt, da sie die höchste Sensitivität bietet.“

John Dwyer, Immunologe und emeritierter Professor an der australischen University of New South Wales, sagte AFP im Juli 2020 ebenfalls, dass „der Abstrichtupfer nicht an der Blut-Hirn-Schranke platziert wird und die Blut-Hirn-Schranke nicht beeinträchtigt und somit keine Gefahr für unser Nervensystem darstellt.“ Er sagte, dass der PCR-Test zwar „zeitweise unangenehm“ sein könne, es aber „keine Möglichkeit gibt, dass ein einfaches Teststäbchen die Blut-Hirn-Schranke beschädigen könnte.“

Ulrich Jäger verwies auf wenige Einzelfälle, wo bei Nasenabstriche die Blut-Hirn-Schranke tatsächlich verletzt werde. „Wenn diese Verletzung ordnungsgemäß vom HNO-Arzt versorgt wird, kommt es in der Regel zu keinen bleibenden Schäden“, führte Jäger aus. Eine Fachzeitschrift berichtete über einen einzelnen Fall, bei der eine Frau nach einem Corona-Test Gehirnflüssigkeit verlor. Die Frau litt allerdings schon zuvor an einer kleinen Lücke im Schädel.

Wolfgang Wagner, Chefarzt der HNO der Klinik Schwabing in München, erklärt die Abstrichentnahme in der Nase: „Abstriche auf SARS-CoV-2 werden bevorzugt aus den tiefen Abschnitten der Nase entnommen, weil Studien zufolge im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion dort eine besonders hohe Konzentration an diesen Viren zu erwarten ist.“ Die Abstrichnahme beschrieb er als weniger unangenehm. „Es ist übrigens nicht zutreffend, dass ein Nasenabstrich immer schmerzhaft sein muss. Dies hängt in erster Linie davon ab, ob Engstellen in der Nase vorhanden sind oder nicht. Bei sachgerechter vorsichtiger Durchführung ist der Abstrich nicht besonders unangenehm.“

Für das Gehirn bestehe dabei aber keine Gefahr, so Wagner. „Es ist völlig ausgeschlossen, dass durch die Entnahme eines tiefen Nasen-Abstriches die Bluthirnschranke verletzt oder außer Kraft gesetzt wird.“ Und weiter: „Hinter allen Abschnitten der Schleimhaut der tiefen Nasenabschnitte und des sich anschließenden Nasenrachens befindet sich eine Knochenschicht, die die Schleimhaut von den Gewebeschichten des Gehirns trennt. Dieser Knochen kann durch ein Abstrichröhrchen nicht durchbohrt werden.“ Er resümiert, dass es sich bei dem Nasenabstrich um ein insgesamt „medizinisch sinnvolles, gut begründetes und ungefährliches Verfahren“ handle.

Das anatomische Schaubild, das vielen Postings beigestellt ist, stammt aus einem Artikel der Wissenschafts-Plattform „The Conversation“. Der Text erklärt allerdings nur, wie bestimmte Krankheitserreger über die Nase ins Gehirn gelangen können und dort verschiedene Krankheiten verursachen können. Der Autor stellt aber keinen Zusammenhang mit Coronavirus-Tests her.

Fazit: Die Blut-Hirn-Schranke wird nicht durch Corona-Tests beschädigt, es drohen keine irreparablen Schäden. Die beschriebene Hämatoenzephalitisdrüse gibt es zudem nicht. Das Bild, das eine angeblich vergleichbare Bestrafung im alten Ägypten belegen soll, zeigt eine Augenbehandlung.

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