Impftermin und Videosprechstunde: Doctolib verdankt Erfolg auch der Pandemie

Doctolib - Bild: Stock/CC BY-NC 2.0
Doctolib - Bild: Stock/CC BY-NC 2.0

Ein Videoanruf beim Arzt anstatt im Wartezimmer zu hocken – das ist in Corona-Zeiten eine willkommene Alternative. Das Unternehmen Doctolib bietet Telesprechstunden in Frankreich schon seit 2019 an. Doch erst seit der Pandemie hat sich die Telemedizin stark ausgeweitet. Doctolib, das durch die Online-Buchung von Arztterminen bekannt geworden ist, zählt zu den beliebtesten Plattformen in Frankreich und breitet sich auch in Deutschland immer weiter aus.

Unternehmens-Mitgründer Stanislas Niox-Chateau war eigentlich auf dem Weg, ein Profi-Tennisspieler zu werden, als ein Unfall seine Sportlerkarriere beendete. Gemeinsam mit Freunden entwickelte er 2013 eine App, die Ärzten die Terminvergabe erleichtern sollte. Innerhalb weniger Jahre bekamen sie so viel Kapital zusammen, dass Doctolib nun zu den französischen „Einhörnen“ zählt – Startups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sind.

Ihre Idee war so simpel wie erfolgreich: Für einen Monatsbeitrag ab 129 Euro können Ärzte ihre Terminverwaltung komplett auf die Plattform auslagern. Patienten suchen ihrerseits kostenfrei auf der Website oder in der App nach Ärzten in ihrer Nähe und zeitlich passenden Terminen.

Mit der Pandemie war Doctolib in Frankreich und Deutschland plötzlich in aller Munde, weil sich nun auch die begehrten Impftermine dort suchen und buchen ließen. Nach Unternehmensangaben gab es bis zu 1,2 Millionen Terminanfragen am Tag. „Die Impfkampagne hat uns ins Rampenlicht gerückt“, sagte Niox-Chateau der Zeitschrift „L’Express“. Damit mache Doctolib allerdings kein Geld, da es sich um einen Einsatz im Gemeininteresse handle, fügte er hinzu.

Im kommenden Jahr will das Unternehmen vor allem die papierlose Kommunikation von Ärzten untereinander und zwischen Ärzten und Patienten ausbauen, unter anderem durch einen gesicherten Messengerdienst. „Die Vertraulichkeit der Daten unserer Nutzer ist uns dabei sehr wichtig“, sagte Niox-Chateau und kündigte an, die Zahl der Experten für Cyber-Sicherheit weiter zu verstärken.

In Deutschland war Doctolib vergangenes Jahr in die Kritik geraten, weil das Unternehmen Werbe-Cookies von Facebook genutzt hatte. Doctolib versicherte, dass keine auf Doctolib eingegebenen Daten weitergegeben wurden und erklärte schließlich, auf Werbe-Cookies ganz zu verzichten.

Derzeit nutzen 60 Millionen Patienten Doctolib, davon 50 Millionen in Frankreich und neun Millionen in Deutschland. Sie haben Zugriff auf die Termine von 300.000 medizinischen Dienstleistern, unter ihnen Impfzentren, Ärztinnen, Psychologen und Krankengymnasten.

„Wir sind vor allem dort nützlich, wo es nur wenig Ärzte gibt“, betont Niox-Chateau – sei es in der Normandie oder in den von sozialen Problemen geprägten Pariser Vorstädten von Seine-Saint-Denis. Der Dienst sei seniorenfreundlich, ein Fünftel der Nutzer sei mehr als 55 Jahre alt. Doctolib hat die Wartezeit auf einen Termin bei einem Spezialisten nach eigenen Angaben deutlich verringert – vor allem weil kurzfristig abgesagte Termine schnell neu vergeben werden können.

Die Videosprechstunden werden vor allem bei Kontroll- und Routineterminen immer beliebter. In manchen französischen Arztpraxen machen sie 20 Prozent aller Termine aus. Es gibt Ärzte, die auch um 22 Uhr noch Termine am Bildschirm anbieten. Rezepte und Überweisungen können innerhalb der App versandt werden.

In Deutschland sind Videosprechstunden erst zögerlich im Kommen. Die für Januar vorgesehene Einführung von E-Rezepten wurde gerade erst verschoben, weil die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Für Doctolib und seine Konkurrenten bleiben Frankreich und Deutschland interessante Märkte – anders als etwa Spanien und Großbritannien, wo die Regierungen früher und intensiver in die Digitalisierung des Gesundheitssystem investiert haben.

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