Zehntausende Nutzerinnen und Nutzer haben die Video-Collage auf Facebook geteilt. Sie zeigt mehrere Szenen: Notärzte posieren vor ihrem Krankenwagen für die Kamera. In einer weiteren Einstellung ist ein lebendiger Mann in einem Leichensack zu sehen, der eine Zigarette raucht. Andere Bilder zeigen ein Kamerateam in einem Krankenhaus, welches ohne Schutzkleidung Personal in Schutzmontur filmt. Eine Reihe weiterer Aufnahmen zeigt ähnliche Situationen. Hinterlegt ist der Clip mit dem Mähen von Schafen.
Die irreführende Behauptung
Über dem Clip heißt es, es seien Erinnerungen an das letzte Jahr zu sehen. Unter dem Beitrag wird behauptet, es handele sich bei der Corona-Pandemie nur um einen Schwindel. Andere Kommentare schreiben: „Wir wurden von vornherein immer schon belogen“.
Die Kommentare sind in einer Vielzahl an Sprachen verfasst. Neben Deutsch und Englisch sind dort auch rumänische, ungarische und bulgarische Kommentare zu finden. Das Video zirkuliert auch in anderen Regionen und wurde bereits von AFP auf Spanisch widerlegt.
In dem Video ist ein Zusammenschnitt verschiedener Szenen unterschiedlichen Ursprungs zu sehen. Im Folgenden zeigt AFP die Herkunft der gezeigten Bilder.
Angebliche Leichen auf der Straße zeigen US-Protest
Das Video beginnt mit einem Foto von Leichensäcken, welche aufgereiht auf der Straße liegen. Neben den angeblichen Leichen liegen Schilder, Bilder und Plüschtiere. Im Hintergrund trägt ein Mann einen der Säcke aus dem Bild.
Das Foto ist bereits seit dem Mai 2020 im Umlauf. Die vermeintlichen Körper sollen aber keine echten Leichen darstellen, wie AFP bereits in Faktenchecks in mehreren Sprachen klarstellte. Zu sehen ist ein Bild eines Protests in Miami, bei welchem die Opfer des Coronavirus symbolisiert werden sollten.
Das Foto entstand im Torch of Friendship Park im Zentrum von Miami in den USA. Es wurde erstmals am 27. Mai 2020 unter Verweis auf den Fotografen Cristóbal Herrera auf der Webseite der European Pressphoto Agency (EPA) veröffentlicht. Als echte Corona-Tote werden die symbolischen Leichensäcke dort aber nicht beschrieben. Sie sind laut EPA ein „Symbolischer Trauerzug als Protest gegen die Wiedereröffnung der Wirtschaft ohne Coronavirus-Hilfe in Miami“.
Auch AFP berichtete über den Protest in Miami. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den USA gerade mehr als 100.000 Todesfälle durch das Coronavirus.
Bilder von Krankenwagen stammen aus Zeitungsbericht
In der nächsten Sequenz sind zwei Menschen zu sehen, welche vor einem Fotografen ihre Schutzkleidung anlegen. Dabei posieren sie neben einem gelben Krankenwagen. Die User sehen darin eine Inszenierung der Pandemie.
In anderen Versionen des Clips ist eine Stimme zu hören, die behauptet, die Pandemie sei „gespielt“. AFP fand durch eine Rückwärtssuche einen niederländischen Twitter-Beitrag. Darin gibt die Stimme Ort und Datum des Clips an. Die Aufnahme soll im Februar 2021 am Leidseplein, einem Platz in der Amsterdamer Innenstadt, entstanden sein.
Ein User weist unter dem Tweet darauf hin, dass es sich hier um Fotos aus einem Bericht der niederländischen Zeitung „NRC“ handele. Diese veröffentlichte den betreffenden Artikel am 4. März 2021.
Der Artikel erläutert die Routinen für medizinisches Personal während der Pandemie in Amsterdam. Die Autorin berichtet auch von den Zwischenrufen beim Entstehen der Aufnahmen am Leidseplein. Demnach habe jemand „Fake News“ gerufen und die Situation mit seinem Handy gefilmt. Die Person habe auch gerufen, dass die Pandemie gestellt sei und das Personal in Schutzkleidung den Menschen weismachen wolle, dass Covid-19 gefährlich sei.
Die Aufnahme ging in den Niederlanden viral. Der zu dem Zeitpunkt anwesende Fotograf scherzte in der Vergangenheit bereits über die Unterstellungen einer „falschen Pandemie“. Laut dem Artikel der „NRC“ handelt es sich bei den beiden Personen im Bild aber tatsächlich um Rettungskräfte.
Rauchender Mann im Leichensack war Teil eines Musikvideos
In der danach folgenden Sequenz ist ein vermeintlicher Haufen an Leichensäcken in einem orangen Müllauto zu sehen. Aus einem der Säcke ragt ein Mann, eindeutig lebendig, und raucht. User bezeichneten die Szene bereits in anderen Beiträgen als „Corona-Fotoshooting“.
Wie AFP schon im März 2021 feststellte, handelte es sich bei dem Video um Aufnahmen, welche am Rande eines Musikvideodrehs des russischen Rappers Husky im September 2020 entstanden.
AFP fand die auf Facebook verwendeten Bilder in einer Instagram-Story von Vasya Ivanov, dem Produktionsleiter des Videos, wieder. In einer entsprechenden Highlight-Sammlung sind auch weitere Videos des Drehs zu finden. Ivanov postete das entsprechende Video ebenfalls auf TikTok. Einen Bezug zu Corona gibt es in dem Video nicht.
Krankenhaus-Aufnahmen stammen aus Werbevideo
In einer weiteren Sequenz des Videos sind ein Fotograf und ein Kameramann in einem Krankenhaus zu sehen. Um sie herum befinden sich vermeintliche Patienten und Krankenbetten. Ein Mann gibt Anweisungen an medizinisches Personal in Schutzkleidung, was als Hinweis für gestellte Szenen in Krankenhäusern gedeutet wird.
Die Aufnahmen sind bereits seit März 2021 in verschiedenen Sprachen im Umlauf. AFP widerlegte Behauptungen in Verbindung mit dem Video bereits auf Spanisch und Serbisch. Entstanden sind diese im Shamir Medical Center im israelischen Tel Aviv.
Das Krankenhaus erläutert auf seiner Webseite, es habe damals an der Errichtung eines 150 Betten umfassenden Notfall-Komplexes auf dem Gelände gearbeitet, um angemessen auf die Corona-Pandemie reagieren zu können. Im November 2020 gab das Krankenhaus bekannt, dass der Bau der Notaufnahme im Bereich eines unterirdischen Parkplatzes des Krankenhauses nun abgeschlossen sei.
Auf AFP-Anfrage vom 11. März 2021 bestätigte Liad Aviel, Sprecher des Krankenhauses, dass die Aufnahmen tatsächlich aus dem Shamir Medical Center stammten. Es habe sich bei den Dreharbeiten um Werbeaufnahmen für die Einrichtung gehandelt. Ein Beschäftigter des Krankenhauses habe die Situation ebenfalls gefilmt. Diese Aufnahmen seien dann auf Facebook verbreitet worden. „Daraus sind leider Fake News geworden, aber damit haben wir nichts zu tun“, erklärte Aviel.
Das beim Dreh entstandene Werbevideo ist seit dem 26. März 2021 über den Youtube-Kanal des Krankenhauses abrufbar. Darin heißt es auf Hebräisch, das Video zeige einen Rückblick auf das Jahr 2020, „dem Jahr des Coronavirus“.
Mit Papier gefüllte Mülltüten stammen von einem Protest
Die nächste Sequenz des Videos ist aus zwei verschiedenen Szenen zusammengesetzt, welche den Eindruck erwecken, sie seien in derselben Situation entstanden.
Vor einem Gebäude liegt eine Reihe schwarzer Säcke auf der Straße ausgebreitet. Neben ihnen arbeitet ein Mensch in Schutzkleidung. In einer Einblendung im Bild heißt es: „Die 450 Toten waren mit Papier gefüllte Säcke.“
Über eine Bild- sowie eine Wortsuche konnte AFP die beiden verwendeten Clips in der venezolanischen Hauptstadt Caracas verorten. Die beiden Aufnahmen zeigen allerdings unterschiedliche Szenen.
In der ersten Einstellung sind tatsächlich Leichensäcke zu sehen. Am 7. April 2021 veröffentlichte Contra Poder, ein spanischsprachiges Nachrichtenmedium, ein Video der Situation und einen dazugehörigen Artikel. Auch die Webseite „Hasta que caiga la tiranía“ berichtete über die zu sehenden Leichen.
Beide Medien geben an, dass es sich bei den Aufnahmen um Bilder aus dem Viertel La Yaguara in Caracas handelt. Sie zeigen demnach den Zusammenbruch des venezolanischen Gesundheitssystems. Es fehlte Platz, um die Toten der Corona-Pandemie unterzubringen.
Ein Artikel der Webseite „Venezuelan Fake News Observatory“ vom April 2021 erläutert zum Hintergrund der Aufnahmen, es habe mehrere Beschwerden an die in Caracas gelegene Leichenhalle von Bello Monte zum Umgang mit Toten gegeben. Diese seien in einen Schuppen in La Yaguara umgelagert worden.
Nach den echten Aufnahmen aus La Yaguara folgt eine Szene mit mehreren Menschen, welche mit Papier gefüllte schwarze Säcke öffnen. Es entsteht der Eindruck, es handele sich um dieselbe Situation und die zuvor gesehenen Leichen seien in Wahrheit nicht echt. Tatsächlich zeigt die zweite Aufnahme allerdings einen Protest vor dem Universitätsklinikum von Caracas aus dem April 2021, mehr als zehn Kilometer entfernt von der zuvor gezeigten Straße in La Yaguara.
In diesem YouTube-Video ist die gezeigte Situation ebenfalls zu sehen. Der Protest und die Diskussionen vor dem Krankenhaus wurden auch durch die venezolanische Journalistin Esteninf Olivarez auf Twitter eingefangen. Diese veröffentlichte mehrere Videos der Situation.
Laut den online verfügbaren Berichten zur Situation befüllte eine Gruppe von Studierenden die Säcke mit Papier und platzierte sie vor dem Krankenhaus. Damit wollten sie den Tod von 430 medizinischen Angestellten anprangern, welche ihrer Meinung nach aufgrund der zu langsamen Impfkampagne an Covid-19 starben.
Medienbericht aus einem Friedhof
In der letzten Sequenz des Facebook-Videos ist ein Mann in Schutzkleidung bei der Aushebung eines Grabes zu sehen, während ein Kamerateam ihn dabei filmt. Bereits seit März 2021 wird zu den Aufnahmen behauptet, es handele sich um ein nachgestelltes Begräbnis. Auch dieses Video wurde bereits von AFP geprüft.
Die Aufnahmen stammen aus dem Bundesstaat Espírito Santo im Südosten Brasiliens und sind Teil einer Reportage des Senders TV Vitória vom 31. März 2021 über die Arbeit von echten Totengräbern während der Pandemie. Die von einem Beobachter aufgenommenen Bilder, welche nun auch auf Facebook verbreitet wurden, veranlassten den Sender am 1. April 2021, die angebliche Montage zu dementieren: „Lüge: Video mit falschen Informationen betrifft das Team von TV Vitória“.
Rede Vitória, das Unternehmen hinter dem TV-Sender TV Vitória, veröffentlichte im April 2021 eine weitere Stellungnahme zu den im Netz verbreiteten Unterstellungen: „Für den Bericht, haben unsere Reporter die Arbeit der Totengräber Schritt für Schritt aufgenommen.“ Die aktuell erneut verbreitete Aufnahme setze den Moment in einen falschen Kontext, „verzerrt die Fakten und schafft eine verfälschte Erzählung“.
Fazit
Bei dem auf Facebook verbreiteten Zusammenschnitt handelt es sich um keine Belege für eine gestellte Corona-Pandemie. Die gezeigten Szenen stammen aus Medienberichten, von Protesten, aus einem Werbe- sowie einem Musikvideo.
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