Sollte Frankreich das Leben seiner Soldaten für ein Land aufs Spiel setzen, das seinen Botschafter ausweist? Diese Frage stellte ein pensionierter Oberst der französischen Armee nach der jüngsten diplomatischen Krise zwischen Frankreich und Mali auf Twitter. Die Frage steht zugleich für das Dilemma, in dem die französische Regierung steckt – und die Antwort hat Folgen auch für den Einsatz der Bundeswehr und weiterer Staaten in dem westafrikanischen Krisenland.
Seit neun Jahren ist Frankreich in Mali mit starken Militärkräften präsent. Zunächst ging es darum, das Vorrücken dschihadistischer Milizen aus dem Norden zu verhindern, die in Richtung der Hauptstadt Bamako vordrangen. Seither haben 53 französische Soldaten in der Region das Leben verloren, die UNO stuft ihren dortigen Militäreinsatz als einen der derzeit gefährlichsten weltweit ein. Präsident Emmanuel Macron hatte bereits 2020 angekündigt, die ursprünglich insgesamt mehr als 5000 französischen Soldaten in der Region bis 2023 um die Hälfte zu reduzieren. Derzeit sind noch etwa 4000 dort, davon mehr als die Hälfte in Mali.
Macrons Ziel war es, den Kampf gegen gewaltbereite Islamisten in der Sahelzone zu einer europäischen Angelegenheit zu machen. Etwa zehn Länder konnte er zur Beteiligung an der dafür 2020 gegründeten Task Force Takuba überreden, die die französische Mission Barkhane unterstützen und ablösen soll. Takuba besteht etwa zur Hälfte aus Franzosen und zur anderen Hälfte unter anderem aus Esten, Tschechen, Portugiesen, Belgiern und Niederländern.
Deutschland ist an Takuba nicht beteiligt, aber mit bis zu 1100 Soldaten an der UN-Mission Minusma und mit bis zu 600 Soldaten an der EU-Ausbildungsmission EUTM.
Die Militärjunta, die sich 2020 an die Macht geputscht hatte, hat allerdings wenig Interesse an einer militärischen Zusammenarbeit mit den Europäern, obwohl die Regierung in Bamako zuvor jahrelang um die Unterstützung durch französische Soldaten gebeten hatte. Ein dänisches Kontingent hat die Junta nun umgehend wieder zurückgeschickt. Norwegen verzichtete am Dienstag auf eine geplante Beteiligung an Takuba wegen fehlender Zustimmung der Junta. Der französischen Verteidigungsministerin Florence Parly riet ein malisches Junta-Mitglied kürzlich forsch, sich in der „Kunst des Schweigens“ zu üben.
Schließlich wurde auch noch der französische Botschafter des Landes verwiesen. Die Militärjunta gab ihm am Montag 72 Stunden, um seine Koffer zu packen. Frankreich hat sich nun zwei Wochen Zeit gegeben, um mit seinen Partnerländern über die Zukunft des Mali-Einsatzes zu beraten.
Die Bundesregierung kritisierte die Ausweisung als „ungerechtfertigt“. „Wir sind als Europäerinnen und Europäer ein Team und lassen uns nicht spalten“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Er verwies darauf, dass die Ampel-Koalition alle Auslandseinsätze der Bundeswehr genau prüfen wolle – dies gelte insbesondere für Mali.
Einerseits möchte sich Frankreich gerne aus Mali zurückziehen, andererseits wäre ein durch Bamako erzwungener Abzug eine Niederlage für Macron, die er sich mitten im Präsidentschaftswahlkampf ersparen möchte. Den chaotischen Rückzug der US-Armee aus Afghanistan haben viele noch vor Augen.
Als heikel empfinden es die westlichen Staaten zudem, dass Mali inzwischen zu einem Nebenschauplatz der russischen Machtpolitik geworden ist. Offiziell arbeitet die Junta mit russischen „Militärberatern“ zusammen. Tatsächlich sollen bereits mehrere Hundert russische Söldner der Wagner-Gruppe im Land sein.
„Sie bedienen sich an den Ressourcen des Landes und schützen im Gegenzug die Junta“, sagte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian der Zeitung „Journal du Dimanche“. „Sie plündern das Land aus“, fügte er hinzu und verwies auf die Zentralafrikanische Republik, wo ähnliches geschehe.
Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kommt es angesichts der Ukraine-Krise vermutlich gelegen, dass er auf diese Weise Druck auf die westlichen Verbündeten ausüben kann. Die russische Rolle in Mali war denn auch Thema bei einem der Telefongespräche von Macron und Putin in jüngster Zeit.
Auch die französischen Militärs sehen eine Verbindung zwischen der Ukraine und dem Sahel. „Eine Reduzierung der Kapazitäten im Sahel macht einen Einsatz in anderen Regionen möglich, möglicherweise in Rumänien“, sagte der Generalstabschef des Heeres, Pierre Schill, mit Blick auf das Nachbarland der Ukraine.