Zum Auftakt zweiwöchiger Beratungen des Weltklimarats IPCC hat dessen Vorsitzender Hoesung Lee die Dringlichkeit des anstehenden neuen Sachstandsberichts zu den Folgen der Erderwärmung unterstrichen. Der vom IPCC in der Plenarsitzung zu erörternde Report werde dringlich erwartet, „weil noch nie mehr auf dem Spiel stand“ als jetzt, sagte Lee am Montag in einer Videokonferenz.
Die Auswirkungen des Klimawandels seien weit größer „als unsere Bemühungen, uns ihm anzupassen“, warnte die Chefin des UN-Umweltprogramms (Unep), Inger Andersen. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) betonte zum Auftakt der Beratungen die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit beim Klimaschutz. „Nur global können wir den Klimawandel bekämpfen“, sagte sie.
„Wenn wir uns unserer eigenen Lebensgrundladen nicht weiter berauben wollen, muss der Klimaschutz ab sofort höchste Priorität haben“, forderte Viviane Raddatz von der Umweltorganisation WWF Deutschland. Die Energiewende sei für das „Wohl von Mensch und Natur unabdingbar“. Deutschland müsse seine derzeitige Präsidentschaft in der G7-Gruppe führender Industrieländer nutzen, um den Abschied von fossilen Energieträgern voranzutreiben.
Die zweiwöchige IPCC-Plenarsitzung findet offiziell in Berlin statt, tatsächlich wegen der Corona-Pandemie allerdings weitgehend virtuell. Dabei beraten Vertreter der 195 IPCC-Mitgliedstaaten abschließend über den zweiten Teil des Sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats. Die Arbeitsgruppe II des IPCC hat darin die neuesten Erkenntnisse über die Folgen der Erderwärmung für Mensch und Natur, mögliche Anpassungen an den Klimawandel und Risikoanalysen zusammengetragen.
Die Regierungsvertreter diskutieren die rund 30 bis 40 Seiten lange Kurzfassung des Berichts, die sich an politische Entscheidungsträger wendet, Zeile für Zeile und verabschieden schließlich den Text. Damit erkennen die Regierungen die wissenschaftlichen Erkenntnisse offiziell an. Der komplette Bericht soll am 28. Februar veröffentlicht werden.
Laut einem Entwurf, in den die Nachrichtenagentur AFP bereits 2021 Einsicht hatte, wird der Bericht die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel betonen.
Der IPCC betreibt keine eigene Forschung zum Klimawandel, sondern wertet tausende Studien aus und fasst die zentralen Erkenntnisse daraus zusammen. Zu dem Kernteam, das den nun vorliegenden zweiten Teil des sechsten Sachstandsberichts verfasst hat, gehören rund 270 Wissenschaftler aus aller Welt, darunter 15 aus Deutschland.
Der Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut ist Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II. Er hatte vergangene Woche dazu aufgerufen, Klima- und Artenschutz stärker zusammenzudenken. „Klima und Naturräume beeinflussen sich gegenseitig“, betonte er.
Rachel Cleetus, die für Klima und Energiepolitik zuständige Direktorin der Wissenschaftlervereinigung Union of Concerned Scientists, nannte den neuen IPCC-Bericht einen „echten Moment der Abrechnung“. Es gehe nicht mehr nur um wissenschaftliche Vorhersagen für die Zukunft, sondern um „extreme Ereignisse und langsam beginnende Katastrophen, die die Menschen jetzt gerade erleben“.
Der erste Teil des IPCC-Berichts war im vergangenen August veröffentlicht worden. Darin warnte der Weltklimarat vor einer deutlich rascheren globalen Erwärmung als zuvor angenommen. Die Erde werde sich bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen – und damit zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Die Erderwärmung ist demnach außerdem „eindeutig“ durch den Menschen verursacht.