Ketanji Brown Jackson: Eine frühere Pflichtverteidigerin dürfte Geschichte schreiben

Ketanji Brown Jackson Bild: U.S. District Court for the District of Columbia/CC-BY-SA
Ketanji Brown Jackson Bild: U.S. District Court for the District of Columbia/CC-BY-SA

Ketanji Brown Jackson dürfte Geschichte schreiben: Als erste schwarze Frau soll die 51-jährige US-Richterin in den Supreme Court in Washington einziehen. Doch nicht nur deswegen stellt die derzeitige Bundesrichterin eine Premiere dar: Die von Präsident Joe Biden nominierte Juristin wäre bei einer Bestätigung durch den Senat auch die erste frühere Bundes-Pflichtverteidigerin, die Verfassungsrichterin wird. Ihre Zeit an der Seite mittelloser Mandanten – aber auch Erfahrungen in ihrer Familie – ermöglichten ihr tiefe Einblicke in den Alltag des US-Justizsystems.

„Ich habe das Leben vielleicht auf eine andere Weise erlebt als einige meiner Kollegen“, sagte Jackson im vergangenen Jahr im US-Senat bei einer Anhörung für ihre Beförderung an das Bundesberufungsgericht in der Hauptstadt Washington. „Und das könnte wertvoll sein.“

Das umfasst auch die extrem harten Strafen, die in den USA wegen Drogenvergehen verhängt werden können. Ein Onkel Jacksons wurde 1989 wegen des Besitzes von Kokain zu lebenslanger Haft verurteilt. Seine Strafe wurde schließlich 2016 vom damaligen Präsidenten Barack Obama verkürzt.

„Für Ketanji ist das Recht nicht nur ein abstraktes Konzept“, sagte ein Freund der Richterin der „Washington Post“. „Die Erfahrung in ihrer Familie hat bei ihr ein Bewusstsein für die echten Auswirkungen des Rechtssystems auf das Leben von Menschen geschaffen.“

Jackson wurde in Washington geboren, wuchs aber im Bundesstaat Florida auf, wo ihre Eltern als Lehrer arbeiteten. Sie studierte an der Elite-Universität Harvard und arbeitete später als Assistentin des liberalen Verfassungsrichters Stephen Breyer – eben jenes Richters, den sie nun im Supreme Court beerben soll.

Zwischen 2005 und 2007 war Jackson Pflichtverteidigerin auf Bundesebene in Washington und vertrat damit Mandaten, die sich keinen Anwalt leisten können. Sie arbeitete auch in einer vom US-Kongress gegründeten Strafmaß-Kommission, die sich für landesweit einheitliche Strafen für Verurteilte einsetzt.

2013 wurde die mit einem Chirurgen verheiratete Mutter von zwei Töchtern dann von Obama zur Bundesrichterin ernannt. Ihr vermutlich bekanntestes Urteil fällte sie 2019, als sie Obamas Nachfolger Donald Trump eine juristische Niederlage zufügte: Sie urteilte, dass hochrangige Regierungsmitarbeiter parlamentarischen Zwangsvorladungen nachkommen müssen. Trump hatte dies verhindern wollen. „Präsidenten sind keine Könige“, schrieb Jackson in ihrer Urteilsbegründung.

2021 wurde Jackson dann an das Bundesberufungsgericht in Washington berufen, traditionell ein Sprungbrett für den Supreme Court. Bei ihrer Senatsanhörung betonte sie, ihre Hautfarbe sei irrelevant bei ihrer Arbeit. Das spiele „keine Rolle bei der Frage, was für eine Richterin ich bin oder sein werde“. „Ich schaue mir die Argumente, die Fakten und das Recht an. Ich schiebe methodisch und bewusst persönliche Sichtweisen und alle anderen unangemessenen Erwägungen beiseite.“

Dass ihrer Hautfarbe jetzt so viel Bedeutung beigemessen wird, ist dennoch nicht überraschend. Bislang gab es erst zwei schwarze Verfassungsrichter – den 1993 verstorbenen Thurgood Marshall und den seit 1991 amtierenden Clarence Thomas. Eine schwarze Frau hat es noch nie an den Obersten Gerichtshof geschafft. Biden hatte im Wahlkampf versprochen, genau das zu ändern – und setzt dieses Versprechen jetzt um.

Doch Jacksons Bestätigung im Senat dürfte ein harter Kampf werden. Bidens Demokraten verfügen im Oberhaus nur über eine hauchdünne Mehrheit, und die oppositionellen Republikaner haben bereits Widerstand angekündigt. Der mächtige Anführer der Konservativen im Senat, Mitch McConnell, erklärte noch am Freitag, Jackson sei als Kandidatin die „bevorzugte Wahl linksradikaler Schwarzgeld-Gruppen“ gewesen. Der einflussreiche republikanische Senator Lindsay Graham erklärte, mit der Nominierung Jacksons habe sich die „radikale Linke“ ein Mal mehr gegen Biden durchgesetzt.

Ohnehin gilt: Jacksons Bestätigung für den Supreme Court wäre zwar ein historischer Schritt. An den Mehrheitsverhältnissen an dem mächtigen Gerichtshof würde das aber nichts ändern, weil die liberale Jackson den liberalen Breyer ablösen soll. Das konservative Lager wird den Supreme Court mit einer Mehrheit von sechs der insgesamt neun Richter weiter fest im Griff haben.

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