Angesichts des Krieges in der Ukraine und dem drohenden Szenario ausbleibender Gaslieferungen aus Russland wird in Deutschland wieder über den Kohle- und Atomausstieg gestritten. Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, plädierte im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ, Samstag) für eine spätere Abschaltung der letzten Atomkraftwerke. Die Betreiber der Kraftwerke lehnen dies laut „Rheinischer Post“ jedoch ab.
„Der Gesetzgeber hat vor Jahren entschieden, dass Kernkraft in Deutschland keine Zukunft hat“, sagte ein Sprecher von Eon. Ein Weiterbetrieb über den gesetzlichen Endtermin 2022 sei kein Thema. „Das Thema Kernkraft ist in Deutschland vom Tisch“, hieß es von RWE. „Kurzfristig wäre es gar nicht möglich, die Kernkraftwerke wieder hochzufahren.“
„Das Verschieben des Atomausstiegs ist ein komplexes Unterfangen, bei dem viele rechtliche und organisatorische Fragen zu klären sind“, sagte auch Ifo-Chef Fuest der „NOZ“. Aber es sollte dennoch in Erwägung gezogen werden, „bis die Abhängigkeit von russischem Erdgas überwunden ist, also voraussichtlich mehrere Jahre“.
Beim Thema Kohle wandten sich Vertreter von FDP und Union gegen einen möglichen früheren Ausstieg als gesetzlich beschlossen. „Ein vorgezogenes Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung verbietet sich“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) der „Welt“ mit Blick auf den russischen Einmarsch in die Ukraine.
Der energiepolitische FDP-Fraktionssprecher Michael Kruse plädierte für den Weiterbetrieb moderner Kohlekraftwerke. „Ich meine wir wären klug beraten, den Rückbau von modernen Grundlastkraftwerken wie dem Kraftwerk in Hamburg-Moorburg auszusetzen“, sagte er der „Welt“.
„Kohle ist keine Brückentechnologie, sondern ein Irrweg“, sagte hingegen die Grünen-Chefin Ricarda Lang den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wenn wir den Kohleausstieg 2030 aufgeben, geben wir das Pariser Klimaabkommen auf.“ Es müsse nun vor allem der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden.
Der Ukraine-Krieg hatte Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas in den Fokus gerückt. Die Perspektive ausbleibender Gaslieferungen aus dem Osten bremst Deutschland offenkundig beim Verhängen härterer Sanktionen gegen den eklatanten Bruch des Völkerrechts durch Russland.