Polens Verfassungsgericht hat in einem weiteren Urteil die Europäische Menschenrechtskonvention für teilweise unvereinbar mit der polnischen Verfassung erklärt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sei nicht befugt, die Organisation, Zuständigkeit und Verfahren der polnischen Justiz sowie die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, erklärten die Warschauer Richter am Donnerstag.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, dessen eigene Rechtmäßigkeit von Kritikern der Justizreformen der Regierung in Warschau in Frage gestellt wird, richtet sich konkret gegen den Artikel 6 der Menschenrechtskonvention, der jedem Menschen das Recht auf ein faires Verfahren durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht zusichert.
Der EGMR hatte Polen in den vergangenen Monaten mehrfach wegen seiner umstrittenen Justizreformen verurteilt. Kritiker werfen der rechtsnationalen Regierung in Warschau vor, mit ihren Reformen die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben. Das Verfassungsgericht besteht fast ausschließlich aus Richtern, die von der rechtskonservativen Regierung ernannt wurden.
Der EGMR war 1959 von den Mitgliedsstaaten des Europarates gegründet worden. Seine Aufgabe ist es, Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu prüfen und zu ahnden.
Ende November hatte das polnische Verfassungsgericht die Konvention bereits als teilweise unvereinbar mit der polnischen Verfassung eingestuft. Das umstrittene Verfassungsgericht hatte bei der Gelegenheit ein Urteil des EGMR gekippt, der Polen wegen der „irregulären“ Ernennung eines Verfassungsrichters verurteilt hatte. Dutzende weitere Verfahren gegen Polen sind in Straßburg noch anhängig.