Kurz vor der Landtagswahl im seiner saarländischen Heimat ist der frühere Linken-Chef Oskar Lafontaine aus der Partei ausgetreten. „Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen und die zudem das im Saarland etablierte Betrugssystem unterstützt, will ich nicht mehr angehören“, erklärte der 78-Jährige am Donnerstag zur Begründung. Mit seinem Schritt kam er einem möglichen Parteiausschluss zuvor.
Spätestens 2015 habe die damalige Parteiführung begonnen, den politischen Kurs zu verändern, erklärte Lafontaine. „Im Zuge dessen wandelte sich die Linke allmählich zu einer Partei, die ähnliche Ziele verfolgt und sich um dasselbe Wählermilieu bemüht wie die Grünen“, kritisierte er.
Viele Arbeitnehmer und Rentner hätten sich daraufhin anderen Parteien zugewandt. „Es ist nicht mehr zu übersehen: Normal- und Geringverdiener oder auch Rentner fühlen sich von der Partei nicht mehr vertreten“, erklärte Lafontaine.
Er warf der Partei zudem vor, ihre „friedenspolitischen Grundsätze“ aufzugeben. So hätten die Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow und andere Fraktionsmitglieder dafür plädiert, dem Antrag der Bundesregierung zum hundert Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr zuzustimmen.
Unmittelbar danach sei aus dem Parteivorstand heraus öffentlich angekündigt worden, diejenigen aus der Partei zu drängen, „die für den sozialen und friedenspolitischen Gründungskonsens der Linken stehen“. Die heutige Linke habe den Anspruch aufgegeben, eine „linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit“ zu sein.
Im Saarland habe die Bundespartei über Jahre ein „Betrugssystem“ zugelassen, bei dem „auf der Grundlage manipulierter Mitgliederlisten Bundestags- und Landtagsmandate vergeben werden“. Ein Parteimitglied, das nicht in dieses System eingebunden sei, habe keine Chance auf ein Mandat.
Lafontaine bezog sich damit auf eigene Vorwürfe gegen den Chef des saarländischen Landesverbands, Thomas Lutze. Demnach soll Lutze Lafontaine als ungeeignet dargestellt haben, die Partei im Bundestag zu vertreten.
Gegen Lutze laufe ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung, erklärte Lafontaine. Zudem stimme Lutze bei zentralen Fragen inhaltlich nicht mit der Politik der Partei überein. Die Ermittlungen gegen den Parteichef wurden inzwischen zum überwiegenden Teil eingestellt.
Lafontaine, bislang Chef der Linksfraktion im Saarland, drohte wegen innerparteilicher Streitigkeiten seit Monaten ein Parteiausschluss, dem er nun zuvor kam. Im Zuge des eskalierten Streits um die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl im Saarland hatte Lafontaine dazu aufgerufen, die Partei nicht zu wählen.
Dies wurde von Seiten der Linken scharf kritisiert. Auslöser der Auseinandersetzung war eine Kampfabstimmung, bei der die Mitglieder am Ende Lutze zum saarländischen Spitzenkandidaten wählten, während die Fraktion um Lafontaine den Abgeordneten Dennis Lander favorisierte.
Lafontaine hatte im Herbst erklärt, bei der Landtagswahl im Saarland am Sonntag kommender Woche nicht erneut anzutreten. Gerüchte, dass er mit einer eigenen Liste antreten wolle, wies er stets zurück. Die einst erfolgreiche Landespartei steht in Umfragen nur knapp über der Fünfprozenthürde.
Der 78-jährige Lafontaine war zwischen 1985 und 1998 Ministerpräsident im Saarland – damals noch für die SPD. Er verließ die Partei 2005 im Streit um die Politik des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder.
Später beteiligte er sich am Entstehen der Linkspartei. Diese prägte er als Partei- und Fraktionschef entscheidend mit. 2010 zog er sich nach einer Krebserkrankung von diesen Ämtern zurück, blieb aber Fraktionschef im Saarland.
Die Linken-Spitze im Bund bedauerte Lafontaines Entscheidung. „Als Gründungsvorsitzender und langjähriger Fraktionsvorsitzender hat Oskar Lafontaine bleibende Verdienste für die Partei Die Linke“, erklärten die Parteivorsitzenden Hennig-Wellsow und Janine Wissler sowie die Bundestagsfraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch am Donnerstag in Berlin. „Wir halten seinen Austritt für falsch und bedauern ihn.“