Mit gemeinsamen Gaskäufen der EU-Länder und dem vorübergehenden Anbau von Pflanzen auf Brachflächen will die Europäische Kommission die Folgen des Ukraine-Kriegs in der EU abfedern. Europa müsse rasch handeln, um „die Energieversorgung für den nächsten Winter zu sichern und den Druck“ auf die hohen Strom- und Gasrechnungen der Bürger abzumildern, erklärte EU-Energiekommissarin Kadri Simson am Mittwoch. Für weniger Abhängigkeit von russischem Gas schlug die Brüsseler Behörde gemeinsame Gaskäufe der Mitgliedsländer vor.
Die Kommission sei bereit, „eine Taskforce für gemeinsame Gaskäufe auf EU-Ebene einzurichten“, hieß es. Ein durch die Kommission geleitetes Verhandlungsteam „würde Gespräche mit den Gaslieferanten führen“, inspiriert von den gemeinsamen EU-Einkäufen von Corona-Impfstoffen zu Beginn der Pandemie.
Mit diesem Vorschlag plant die Kommission, die EU breiter bei den Gaslieferanten aufzustellen. Brüssel diskutiert bereits mit Förderländern wie Norwegen, den USA und Katar. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf sich am Montag mit den Chefs der großen europäischen Energiekonzerne, unter anderem Eon, Shell und Vattenfall.
Um für vollere Gasspeicher in Europa zu sorgen, schlug die Kommission ein Gesetz vor, dass die Gasspeicher in den EU-Ländern bis November zu mindestens 80 Prozent gefüllt sein müssen. In den Folgejahren sollen die Speicherstände vor dem Winter bei 90 Prozent liegen. Dabei will die EU-Kommission Betreiber von Gasspeichern mit der Vergabe von Lizenzen stärker kontrollieren. Sollte ein Betreiber nicht nachweisen können, dass er die Energieversorgung der EU nicht gefährdet, droht die EU-Kommission im äußersten Fall mit einer Enteignung.
Als weitere Maßnahme schlug die Brüsseler Behörde Preisdeckel für Strom und Gas auf dem Großmarkt vor. Solche Deckelungen sind unter den EU-Mitgliedstaaten jedoch stark umstritten. Deutschland zeigte sich am Mittwoch „skeptisch, was einen Eingriff in den Preismechanismus angeht“, wie es aus Berliner Regierungskreisen hieß. Die 27 Staats- und Regierungschefs beschäftigen sich am Donnerstag bei ihrem Gipfel in Brüssel mit der Energieversorgung Europas.
Neben den Energiepreisen nahm die Brüsseler Behörde auch die Herstellung von Lebensmitteln ins Visier. Eine Lebensmittelknappheit in der EU drohe nicht, betonte die Kommission. Doch angesichts befürchteter Importausfälle von Getreide und Soja aus der Ukraine und Russland will die EU-Kommission die Lebensmittelproduktion in der EU steigern. Dafür plant die Kommission, vorübergehend die Bewirtschaftung von Brachflächen zu gestatten, die eigentlich zur Förderung der Artenvielfalt dienen sollen.
Auf diesen Flächen sollen nun vor allem Futterpflanzen wie Soja und Mais angebaut werden dürfen, die in der Tiermast eingesetzt werden. Bislang kam mehr als die Hälfte des Maises in der EU aus der Ukraine. Für Deutschland hatte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bereits angekündigt, dass Landwirte in diesem Jahr ausnahmsweise auch auf ökologischen Vorrangflächen Futterpflanzen anbauen dürfen.
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Verbände befürchten, dass mit dem Anbau auf Brachflächen die Umweltziele der EU für eine nachhaltigere Landwirtschaft untergraben werden könnten. Mehr als 80 NGOs, darunter Greenpeace und der BUND, forderten in einem offenen Brief das weitere Verfolgen dieser Umweltziele. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, begrüßte hingegen, dass die Kommission „der Ernährungssicherung in der EU“ den Vorrang gebe vor „Reduktionsvorgaben etwa beim Pflanzenschutz“.