Macron will EU-Verteidigungspolitik in einer zweiten Amtszeit vorantreiben

Emmanuel Macron - Bild: Ghislain Mariette / Présidence de la République
Emmanuel Macron - Bild: Ghislain Mariette / Présidence de la République

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Recht behalten: Seine seit Jahren vertretene These, dass die europäische Souveränität und die gemeinsame Verteidigung ausgebaut werden müssen, wird heute von zahlreichen Staats- und Regierungschefs der EU unterstützt. Dass Kreml-Chef Wladimir Putin mit einem brutalen Angriffskrieg dazu beitragen würde, hätte sich Macron zu Beginn seiner ersten Amtszeit aber wohl nicht träumen lassen. Ein Überblick über Macrons Positionen zu einer europäischen Verteidigungspolitik:

Macrons Vorschläge in der Sorbonne-Rede 2017

Macron war gerade einmal vier Monate im Amt, als er 2017 an der Pariser Universität Sorbonne eine leidenschaftliche Europa-Rede hielt. „Unser Ziel muss darin bestehen, dass Europa ergänzend zur Nato selbstständig handlungsfähig ist“, betonte er. Ein „Europa der Verteidigung“ brauche eine „gemeinsame strategische Kultur, einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt, (…) und eine gemeinsame Handlungsdoktrin“. Damals warnte Macron eher vor internationalem Terrorismus als vor einer russischen Invasion. Zum Zeitpunkt seiner Rede war Deutschland allerdings mit Koalitionsverhandlungen beschäftigt, und eine Reaktion aus Berlin blieb erst einmal aus.

Macron bescheinigt 2019 der Nato den „Hirntod“

Der im selben Jahr wie Macron gewählte US-Präsident Donald Trump machte in seiner Amtszeit deutlich, dass er von der transatlantischen Militärallianz Nato nicht viel hält, und er warf den Europäern zu geringe Verteidigungsausgaben vor. Macron sah sich in seiner Überzeugung bestätigt, dass Europa „sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“ müsse. In einem Interview mit dem „Economist“ sprach er vom „Hirntod“ der Nato und der Notwendigkeit, „die militärische Souveränität wiederzufinden“. Ansonsten bestehe das Risiko, geopolitisch zu verschwinden, warnte Macron.

EU entwirft 2022 einen „Strategischen Kompass“

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft debattierten die Mitgliedstaaten über einen „Strategischen Kompass“. Der sollte zunächst die künftigen Bedrohungen definieren, die Europa treffen könnten. In einem ersten Entwurf vom Januar 2022 war von möglichen Angriffen im Weltraum und im Cyberspace sowie von hybriden Angriffen etwa durch das Steuern von Flüchtlingsbewegungen die Rede. Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden die Bedrohungsszenarien noch einmal neu formuliert und der Platz Europas in einer „multipolaren Welt“ betont.

Gemeinsame Rüstungsprojekte kommen nur langsam voran

Zu den wichtigsten gemeinsamen Rüstungsprojekten gehört das Luftkampfsystem FCAS. An dem künftigen Kampfflugzeug, zu dem auch Drohnen und ein eigenes Cloud-System gehören, sind Deutschland, Frankreich und Spanien beteiligt. Es soll von 2040 an den Eurofighter ersetzen. In Frankreich wurde Kritik laut, als Deutschland entschied, zur Überbrückung US-Tarnkappenjets vom Typ F-35 anzuschaffen. Das europäische Projekt geht jedoch nur schleppend voran, da es mehrfach Konflikte bei der Arbeitsteilung und beim geistigen Eigentum gab. Auch bei der Entwicklung des Kampfpanzers MGCS, bei dem Deutschland federführend sein sollte, hakt es.

Konsequenzen des Ukraine-Kriegs

Die russische Invasion hat die europäische Verteidigungspolitik schneller vorangebracht als erwartet. In Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene sind Tabus gefallen, insbesondere bei Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet. Verteidigungsausgaben wurden massiv erhöht. Die Nato ist plötzlich wieder wichtig geworden. Macron betont, dass der „Hirntod“ unter den damaligen Umständen eine angemessene Beschreibung gewesen sei, dass das Verteidigungsbündnis nun aber einen „Elektroschock“ erlebt habe. Geplant ist nun eine gemeinsame Erklärung von EU und Nato, in der die ergänzenden Rollen der beiden Organisationen abgesteckt werden. Und schließlich will die EU eine Einsatzgruppe mit 5000 Soldaten gründen. All dies geht in die Richtung, die Macron schon zu Beginn seines ersten Mandats eingeschlagen hatte – und in einem möglichen zweiten Mandat sicher weiterverfolgen wird.

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