Aleksandar Vucic: Ex-Ultranationalist, Pro-Europäer und erfolgreicher Gratwanderer

Aleksandar Vucic - Bild:ΝΕΑ ΔΗΜΟΚΡΑΤΙΑ/CC BY-NC 2.0
Aleksandar Vucic - Bild:ΝΕΑ ΔΗΜΟΚΡΑΤΙΑ/CC BY-NC 2.0

Mit großem Geschick beherrscht Serbiens Präsident Aleksandar Vucic die Gratwanderung zwischen einer Annäherung an die EU und den Westen bei gleichzeitig enger Partnerschaft mit Russland und China. Die serbische Wählerschaft dankt ihm seine Wirtschaftsreformen, seinen Nationalismus und seine Loyalität gegenüber Moskau, während Opposition und Nichtregierungsorganisationen ihm einen zunehmend autoritären Führungsstil vorwerfen. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag tritt er als Favorit an.

Dem radikalen Nationalismus im Sinne von Ex-Machthaber Slobodan Milosevic, dessen enger Gefolgsmann Vucic war, hat der 52-Jährige längst abgeschworen. Seit Jahren präsentiert er sich als Reformer, treibt den EU-Beitritt Serbiens voran. Gleichzeitig unterhält sein Land enge Beziehungen zum „großen Bruder“ Russland, dessen Gas es zum Freundschaftspreis bezieht, und zeigt sich offen für Milliardeninvestitionen aus China.

„Er ist allen entgegengekommen, China, damit es seine schmutzigen Industrien nach Serbien exportiert, und Russland, damit es seinen politischen Einfluss ausweitet“, sagt der Politikwissenschaftler Boban Stojanovic. Seit der russischen Invasion in der Ukraine ist der Grat zwar schmaler geworden, doch Vucic hält an seinem Kurs fest: Vor der UN verurteilte Serbien den russischen Angriffskrieg, den EU-Sanktionen gegen Moskau will sich Belgrad aber nicht anschließen.

In Serbien unterstützen viele Russlands Krieg. Selbst nicht pro-russische Oppositionsparteien halten sich im Wahlkampf mit Kritik an Moskau zurück. Auf den Wahlkampf wirkt sich deshalb vor allem die drohende wirtschaftliche Unsicherheit aus – zum Vorteil der Regierungspartei und des amtierenden Staatschefs, sagt der Politikwissenschaftler Zoran Stojiljkovic: „Große Krisen begünstigen, zumindest kurzfristig, immer diejenigen, die bereits an der Macht sind.“

Vucic präsentiert sich als Garant für Stabilität. „Frieden. Stabilität. Vucic“ lautet sein erst kürzlich an die Umstände angepasster Wahlkampfslogan. Die weitgehend regierungsnahen serbischen Medien verbreiten ihn gerne. „Vucic ist überall, auf allen Fernsehsendern, in allen Zeitungen, er hat den gesamten öffentlichen Raum gekapert“, sagt der 42-jährige Informatiker Nebojsa Pantelic. „Nicht einmal Milosevic hatte dieses Land so fest im Griff“.

Unterstützer halten dem Staatschef unter anderem seine Weigerung zugute, die 2008 erklärte Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. „Vucic hat den einfachen Leuten eine Chance auf ein besseres Leben gegeben, er hat seine Versprechen gehalten, er verteidigt unser Kosovo hartnäckig, er ist einfach der richtige Mann für uns“, sagt der 47-jährige Bankangestellte Branislav Ristic.

Vom Ultranationalisten zum Pro-Europäer hat der als Pragmatiker geltende Vucic einen tiefen Wandel vollzogen. Während des Bosnienkriegs verteidigte er die Kriegsverbrechen an den bosnischen Muslimen. „Wenn ihr einen Serben tötet, töten wir hundert Muslime“, sagte Vucic im Juli 1995. Nur wenige Tage zuvor hatten bosnische Serben in Srebrenica 8000 muslimische Männer und Jungen massakriert.

Milosevic, der 2006 als Angeklagter des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag im Gefängnis sterben sollte, ernannte Vucic 1998 zum Informationsminister. Mit drakonischen Geldstrafen ging dieser gegen regierungskritische Medien vor. Noch etwa ein Jahrzehnt lang unterstützte Vucic die serbischen Hardliner. Aus dem Jahr 2007 stammt sein Ausspruch, er würde dem international gesuchten bosnischen Serbenführer Ratko Mladic höchstpersönlich Unterschlupf gewähren.

2008 kehrte er der nationalistischen SRS den Rücken und wurde zum Mitbegründer der Fortschrittspartei SNS. 2010 bezeichnete er das Massaker von Srebrenica als „furchtbares Verbrechen“. 2012 wurde die SNS stärkste Partei und Serbien EU-Beitrittskandidat.

Die Werkzeuge des Populismus, Nationalismus und Autoritarismus beherrscht Vucic aber nach wie vor. Kritiker diffamiert er regelmäßig als vom Ausland bezahlte Verräter. In ihrem Serbien-Bericht von 2021 beschreibt die US-Organisation Freedom House die „Aushöhlung der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten“ im Land. Vucic erhöhe stetig den „Druck auf unabhängige Medien, politische Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen“.

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