Robert Habeck und Annalena Baerbock: Wehmut beim Abschied der alten Führung und ein selbstbewusster Blick nach vorn

Bündnis 90/Die Grünen
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Robert Habeck gibt sich alle Mühe, tief zu stapeln. „Es endet keine Ära“, ruft der bisherige Grünen-Chef beim digitalen Parteitag im Berliner Velodrom. „Es beginnt einfach ein neuer Akt.“ Doch es ist viel Wehmut zu spüren beim Rückzug von Habeck und der Ko-Vorsitzenden Annalena Baerbock aus der Parteispitze. Nun ist es die Aufgabe der neuen Doppelspitze aus Ricarda Lang und Omid Nouripour, die Partei durch die schwierige Ampel-Zeit zu führen.

Viel Dankbarkeit bringt die Partei den beiden bisherigen Vorsitzenden entgegen. Schließlich haben sie die Grünen in ihrer vierjährigen Amtszeit zu dem gemacht, was sie heute sind. Doch Baerbock und Habeck wollen sich auf dem Parteitag gar nicht so lange mit ihren Verdiensten um die Neuaufstellung der Grünen aufhalten.

Vielmehr nutzen sie ihren Abschied vor allem, um auf die schwierigen Zeiten in der „Ampel“ vorzubereiten. Denn bei ihren ehrgeizigen Klimaschutz-Zielen muss die Partei mit Gegenwind von FDP und SPD rechnen – und wird deshalb nicht immer die reine grüne Lehre durchsetzen können. Das bekam sie jüngst beim Streit um die EU-Taxonomie zu spüren, durch die Atomkraft und Erdgas als „grüne“ Energien eingestuft werden sollen.

„Kompromisse sind die Kunst der Politik“, schreibt Habeck der Partei ins Stammbuch. Und Baerbock fordert die Bereitschaft ein, „auch mal über den eigenen Schatten zu springen“.

Auf Widerspruch stoßen die beiden, die wegen ihrer Regierungsposten die Parteiämter abgeben, kaum. Bei den Antragsberatungen fallen diverse Initiativen durch, die die grünen Ministerinnen und Minister in die Bredouille gebracht hätten: die Anträge gegen die Anschaffung von Drohnen und für einen schonenden Umgang mit Russland verfehlen ebenso die Mehrheit wie der Vorschlag, das magere Bundestagswahl-Ergebnis von 14,8 Prozent in einer eigenen Kommission aufzuarbeiten.

Das Resultat vom September 2021, das sich viele besser erwartet hatten, spielt auf dem Parteitag keine große Rolle mehr. Lediglich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ruft dazu auf, aus den Fehlern im Bundestagswahlkampf zu lernen. Themen wie Wirtschaft und Arbeitsplätze hätten zu wenig im Mittelpunkt gestanden, moniert er.

Immerhin greift der neu gewählte Parteichef Omid Nouripour das Anliegen der Kritiker auf und verspricht den Delegierten: „Wir werden den Wahlkampf nacharbeiten, um beim nächsten Mal noch erfolgreicher zu sein.“

Ansonsten trüben nur noch die Ermittlungen um den umstrittenen Corona-Bonus über 1500 Euro, den der Vorstand beschlossen hatte, die grüne Harmonie. Schatzmeister Marc Urbatsch räumt zerknirscht ein: „Mit dem Wissen von heute würden wir solchen einen Beschluss nicht mehr fassen.“

Eine Abstimmungsniederlage muss die bisherige Parteiführung dann doch noch einstecken. Die Delegierten folgen zwar dem Wunsch des Vorstands, höhere Hürden für die Einbringung von Anträgen auf Parteitagen einzuführen, um die Masse von oft mehreren tausend Vorlagen zu begrenzen. Doch am Ende setzt sich ein niedrigeres Quorum durch, als es sich Baerbock und Habeck gewünscht hatten.

Mit dem Ergebnis müssen nun freilich die neuen Vorsitzenden zurechtkommen – doch das dürfte nicht ihr größtes Problem sein. Lang und Nouripour standen bei den Grünen bislang nicht in der ersten Reihe. Sie müssen nun den Spagat bewältigen, die Interessen der Partei zu vertreten, ohne das Regieren in der Ampel zu gefährden.

Lang sprach in ihrer Bewerbungsrede von „dem Spannungsfeld einer Partei, die viel verändern will, und der Realität einer Regierung“. Doch selbstbewusst kündigt die 28-Jährige vom linken Parteiflügel an: „Ich will, dass wir eine Mitmach-Partei bleiben, gerade auch in Regierungszeiten.“

Omid Nouripour, der dem Realo-Flügel angehört, schlägt etwas andere Töne an. Die Grünen-Minister hätten einen „Knochenjob“ vor sich, sie bräuchten die „Unterstützung und Solidarität“ der Partei. Auch mit den Nuancen der beiden Vorsitzenden könnte es bald wieder spannend werden bei den Grünen.

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