Prozess um „NSU 2.0“-Drohschreiben in Frankfurt am Main begonnen

Justiz (über cozmo news)
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Mit der Verlesung der Anklage hat am Mittwoch vor dem Landgericht Frankfurt am Main der Prozess um eine Serie von Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ begonnen. Der 54-jährige Angeklagte Alexander M. soll zwischen Anfang August 2018 und Ende März 2021 per E-Mail, SMS oder Fax insgesamt 116 Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten an Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verschickt haben. Unterschrieben waren diese mit dem Synonym „NSU 2.0“.

Das Kürzel nimmt Bezug auf die rechtsextremistische Zelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Konkret wirft die Anklage M. neben 67 Fällen von Beleidigung versuchte Nötigung, Bedrohung, Volksverhetzung, das Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und öffentliche Aufforderung zu Straftaten vor.

Zudem werden ihm tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, der Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Lange Zeit stand in dem Fall die hessische Polizei selbst unter Verdacht, weil die nicht frei zugänglichen Daten der Betroffenen von Computern der Polizei abgerufen wurden.

Die Daten soll sich M. telefonisch erschlichen haben. Er ist den Ermittlern zufolge vorbestraft und wurde zuletzt 2014 verurteilt. Bereits im Jahr 1992 hatte er sich demnach als Kriminalbeamter ausgegeben und wurde in diesem Zusammenhang wegen Amtsanmaßung verurteilt. Vor dem Beginn des Prozesses streckte M. den anwesenden Fotografen und Kameraleuten am Mittwoch beide Mittelfinger entgegen.

Rund drei Stunden lang las Staatsanwalt Sinan Akdogan die Drohschreiben in kompletter Länge vor. In vielen Mails wurden die gleichen Formulierungen benutzt. Die Drohbriefe, die häufig in Form eines behördlichen Schreibens oder eines Gerichtsurteils verfasst waren, habe der erwerbslose Mann regelmäßig mit „Heil Hitler“ unterzeichnet, sich selbst habe er „SS-Obersturmbannführer“ oder nach den Mitgliedern des NSU Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt genannt.

Er habe den Adressaten unter anderem mit Worten wie „verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ gedroht oder damit, dass Familienangehörige „mit barbarischer, sadistischer Härte abgeschlachtet“ würden. In einem Drohschreiben habe er mit Planungen für einen „Tag X“ gedroht. „Der Angeklagte nahm billigend in Kauf, den öffentlichen Frieden, mit der Aussage, die Planungen für einen Tax X liefen auf Hochtouren, zu stören“, sagte Akdogan.

Zudem soll M. mehrere Bombendrohungen an Gerichte und an die Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen verschickt haben. Der Angeklagte ist den Ermittlern zufolge vorbestraft und wurde zuletzt 2014 verurteilt. Bereits im Jahr 1992 hatte er sich als Kriminalbeamter ausgegeben und wurde in diesem Zusammenhang wegen Amtsanmaßung verurteilt.

Auf seine Spur kamen die Ermittler nach eigenen Angaben durch akribische Ermittlungsarbeit vor allem in Internetblogs und -foren. auf der Plattform „PI-News“ stieß die Polizei auf einen Nutzer, dessen Beiträge in Form und Duktus Ähnlichkeiten mit den „NSU 2.0“-Drohschreiben aufwiesen. Anfragen beim Betreiber der Schachplattform zu den verdächtigen Profilen sowie Bestandsdatenabfragen bei Telefonanbietern führten schließlich im April 2020 zur Identifizierung des Verdächtigen.

Über Internetrecherchen wurde dann auf einer Schachplattform ein namensgleiches Profil gefunden – weitere wurden über die genutzte IP-Adresse entdeckt. Aus den Drohschreiben und den Onlinekommentaren ergaben sich zudem zahlreiche Bezüge zu Berlin und dort zum direkten Wohnumfeld des Beschuldigten.

Zu den Opfern der Drohschreiben zählten überwiegend Frauen wie die damalige hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler sowie die Kabarettistin Idil Baydar und die bekannte Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz. Betroffen waren zudem mehrere Ermittler sowie die Satiriker Christian Ehring und Jan Böhmermann. Im Prozess werden sie als Zeugen und Geschädigte geführt.

M. kündigte nach Verlesung der Anklage eine „umfangreiche Einlassung“ zu den Vorwürfen am nächsten Prozesstag am Donnerstag an. Die Vorwürfe wolle er „nicht unkommentiert im Raum stehen lassen“. Bis Ende April sind noch 13 weitere Verhandlungstermine angesetzt.

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