Die AfD-Bundestagsfraktion kann nicht verlangen, dass der Bundestag einen ihrer als Vizepräsident vorgeschlagenen Kandidaten in das Präsidium wählt. Durch die „Nichtwahl“ in der vergangenen Legislaturperiode wurde die Fraktion nicht in ihren Rechten verletzt, wie am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied. Nach einer weiteren Entscheidung kann der AfD-Abgeordnete Fabian Jacobi kein eigenes Vorschlagsrecht für die Wahlen verlangen. (Az: 2 BvE 9/20 und 2 BvE 2/20)
Nach der Geschäftsordnung des Bundestags steht zwar jeder Fraktion mindestens ein Sitz im Präsidium zu, allerdings werden die Mitglieder von den Abgeordneten gewählt. Davon fand keiner eine ausreichende Mehrheit. Vertreter der anderen Fraktionen wurden dagegen bereits in der konstituierenden Sitzung am 24. Oktober 2017 gewählt.
Mit ihrer Organklage wollte die AfD Fraktion eine Änderung des Wahlverfahrens erreichen, damit ihre Kandidaten bessere Chancen haben. Das Bundesverfassungsgericht lehnte diesen Antrag nun als „offensichtlich unbegründet“ ab.
Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, der AfD-Fraktion stehe laut Geschäftsordnung ein Vizeposten im Bundestagspräsidium zu. Dies stehe allerdings „unter dem Vorbehalt der Wahl durch die Abgeordneten“. Nach dem Grundgesetz sei dies eine freie Wahl. Eine Pflicht zur Wahl eines bestimmten Abgeordneten sei damit nicht vereinbar. Dies würde „ein faktisches Besetzungsrecht der Fraktionen“ bedeuten. Hinweise, dass die Wahlen hier unfair oder illoyal gewesen seien, gebe es nicht.
Bei einem Wahlversuch im November 2019 hatte der AfD-Abgeordnete Jacobi angekündigt, er wolle neben dem Vorschlag seiner Fraktion einen eigenen Wahlvorschlag machen. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und dann auch die sitzungsleitende Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) lehnten dies ab, weil einem einzelnen Abgeordneten kein solches Vorschlagsrecht zustehe.
Auch dies bestätigte das Bundesverfassungsgericht nun. Die Geschäftsordnung des Bundestags sei naheliegend so zu verstehen, dass das Vorschlagsrecht allein bei den Fraktionen liege. Der damit verbundene Eingriff in das freie Abgeordnetenmandat sei im Interesse der Funktionsfähigkeit des Bundestags verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Durch das Vorschlagsrecht der Fraktionen würden diese in die Leitung des Bundestags eingebunden, erklärten die Karlsruher Richter hier zur Begründung. Die Akzeptanz von Organisationsentscheidungen des Bundestagspräsidiums in den einzelnen Fraktionen werde so verbessert. Bei einem Vorschlag durch einzelne Abgeordnete könne dagegen ein Kandidat gewählt werden, der nicht das Vertrauen seiner Fraktion genießt.
Die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP begrüßten die Karlsruher Entscheidungen. Sie verhinderten, „dass unqualifizierte Kandidaten mit relativ wenigen Stimmen in das wichtige Amt des Bundestagsvizepräsidenten gewählt werden können“, erklärte etwa der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, in Berlin.