Drei neue Sätze im Grundgesetz und 100 Milliarden Euro

Bundeswehr - Bild: Universität der Bundeswehr München
Bundeswehr - Bild: Universität der Bundeswehr München

Es war eine überraschende Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine: Um „notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben“ bei der Bundeswehr zu finanzieren, soll ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgelegt werden. Am Mittwoch beschloss nun das Kabinett zwei Gesetzentwürfe dafür. Die Details sind aber noch unklar.

Warum fließt auf einmal so viel Geld für die Bundeswehr?

Der russische Einmarsch in die Ukraine hat die Bundesregierung aufgeschreckt. Plötzlich sind Landes- und Bündnisverteidigung ein viel größeres Thema als zuvor. Gleichzeitig gibt es seit vielen Jahren bei der Bundeswehr Ausrüstungsmängel und Probleme mit Großprojekten.

„Klar ist: Wir werden deutlich mehr investieren müssen in die Sicherheit unseres Landes“, sagte Scholz bei der Ankündigung des Sondervermögens. „Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt.“ Auch solle Deutschland ab diesem Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der Nato einhalten, also zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben.

Warum wird nicht einfach der Haushalt des Verteidigungsministeriums aufgestockt?

Das wird er durchaus – im laufenden Jahr soll er das Rekordvolumen von 50,3 Milliarden Euro erreichen. Das Sondervermögen hat jedoch den Vorteil, dass seine Kredite zwar auf die Staatsverschuldung angerechnet werden, aber nicht unter die Vorgaben der Schuldenbremse fallen, die ab 2023 wieder eingehalten werden soll.

Der Sondertopf steht zudem nach der Errichtung jahrelang zur Verfügung – seine Mittel sind damit nicht Gegenstand der jährlichen Haushaltsverhandlungen. Die Regierung erhofft sich davon bessere Planbarkeit. Im Gesetzentwurf zur Einführung des neuen Topfs heißt es: „Es wird das Instrument eines Sondervermögens gewählt, weil diese Finanzierungsaufgabe sehr umfangreich und von längerer Dauer sein wird.“ Und weiter: „Das Finanzierungsvolumen ist im Rahmen der Schuldenregel nicht zu realisieren.“

Wie wird das Sondervermögen eingerichtet?

Die Regierung will es im Grundgesetz verankern. Dort soll in den Artikel 87a ein neuer Absatz 1a eingefügt werden: „Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten. Auf die Kreditermächtigung sind Artikel 109 Absatz 3 und Artikel 115 Absatz 2 nicht anzuwenden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“ Der zweite Satz bezieht sich auf die Schuldenbremse.

Die Verfassungsänderung muss mit Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Dagegen reichen für das sogenannte Errichtungsgesetz einfache Mehrheiten. Damit wird festgelegt, dass das Bundesfinanzministerium die nötigen Kredite aufnehmen darf und jährlich über Einnahmen und Ausgaben informieren muss. Ist das Geld alle, wird das Sondervermögen aufgelöst.

Was genau soll aus dem Sondervermögen bezahlt werden?

Dies legt ein jährlicher Wirtschaftsplan fest – im Entwurf des Errichtungsgesetzes ist dieser Punkt allerdings noch offengelassen. Hier gibt es innerhalb der Koalition noch Klärungsbedarf. Auch die Unionsfraktion hat Bedingungen für ihre Zustimmung zur Grundgesetzänderung.

In der Koalition umstritten ist beispielsweise, inwiefern neben klassischen Verteidigungsausgaben auch Projekte der Energie- oder Cybersicherheit finanziert werden könnten. Politiker von Grünen und SPD fordern zudem, mit der großen Finanzspritze müssten Strukturreformen in der Truppe und ein Umbau des Beschaffungswesens einhergehen.

Das Verteidigungsministerium erklärte am Mittwoch, mit dem Sondervermögen sollten „festgelegte, zumeist überjährige Großvorhaben der Bundeswehr wie zum Beispiel die Tornado-Nachfolge“ finanziert werden – hier hatte das Ministerium am Montag die Beschaffung von 35 US-Tarnkappenjets F-35 angekündigt. Zudem solle „mit hoher Priorität auch die persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten verbessert werden“.

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