Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht den Rechtsextremismus als „größte extremistische Bedrohung“ für die Demokratie in Deutschland. Sie stellte am Dienstag einen zehn Punkte umfassenden Aktionsplan vor, um Rechtsextremismus „mit Prävention und Härte“ zu bekämpfen. Die Sicherheitsbehörden sollen dabei rechtsextremistische Netzwerke „zerschlagen“, indem sie Finanzströme „aufklären und austrocknen“, Radikale „konsequent entwaffnen“ und Hetze im Internet entschieden strafrechtlich verfolgen.
Es gebe mehr als 13.300 gewaltorientierte Rechtsextremisten in Deutschland, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Im Jahr 2020 habe es 22.357 Straftaten in diesem Bereich gegeben. Davon seien 1023 Gewalttaten gewesen. Haldenwang verwies dabei auch auf eine Zählung der Amadeu-Antonio-Stiftung, wonach seit 1990 mehr als 200 Menschen durch rechtsextremistische Gewalt ums Leben gekommen seien.
Der Aktionsplan sei „ein erster Schritt“ der neuen Bundesregierung, um gegen Rechtsextremismus vorzugehen, sagte Faeser. Es gehe darum, „Menschenverachtung den Raum zu nehmen, der Gewalt den Nährboden zu entziehen“.
In dem Aktionsplan kündigt Faeser auch wirksamere Instrumente an, um „Verfassungsfeinde“ leichter aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Dazu solle das Disziplinarrecht geändert werden. Ein Lagebericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden solle nun schrittweise auf den gesamten öffentlichen Dienst ausgeweitet werden.
Weiteres Ziel des Aktionsplans ist ein besserer Schutz von Kommunalpolitikern gegen Anfeindungen und gewalttätige Übergriffe „Die Zahl der polizeilich registrierten Eingriffe hat sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht“, sagte Faeser. Dies zeige eine „Verrohung und eine Verachtung von Staat und Demokratie“. Eine Allianz mit Ländern, Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen solle nun konkrete Vorschläge für einen besseren Schutz von Mandatsträgern erarbeiten.
Im Umgang mit Opfern rechtsextremer Gewalt sollten daneben mit den Ländern in der Polizeiausbildung „interkulturelle Kompetenzen“ stärker vermittelt werden. Mit Schulungen solle „für einen sensibleren Erstkontakt“ und „mehr Empathie“ gegenüber Betroffenen gesorgt werden.
Verschwörungstheorien, die Radikalisierung den Boden bereiteten, sollten verstärkt bekämpft werden, sagte Faeser. Dazu solle auf Bundesebene ein zentrales Beratungsangebot für Menschen geschaffen werden, die in ihrem persönlichem Umfeld eine Radikalisierung aufgrund eines Verschwörungsglaubens feststellten.
Daneben solle die „demokratische Streitkultur“ stärker gefördert werden, sagte die Ministerin. Dafür werde das Programm „Miteinander Reden“ der Bundeszentrale für politische Bildung ausgebaut. Die politische Bildung im Kampf gegen Rechtsextremismus an Schulen sowie in der Jugend- und Erwachsenenbildung solle zudem mit einem neuen Förderschwerpunkt gestärkt werden. Weiteres Ziel des Aktionsplans ist schließlich die Stärkung der Medienkompetenz im Umgang mit Desinformation.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung nannte Faesers Aktionsplan „ein wichtiges Signal“. Messen lassen müsse sich die Ministerin nun „an vollstreckten Haftbefehlen, verbotenen Organisationen und eingezogenem illegal erworbenen Vermögen“.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Martina Renner, sprach von einem „mutigen Schritt“. Die Maßnahmen müssten nun „schnell und konsequent“ umgesetzt werden. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, bedauerte jedoch, dass Faesers Plan nicht das Vorhaben der Ampel-Koalition enthalte, das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, um die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in dem Bereich zu verbessern.