Klagen der AfD: Dutzende Aktenmeter im Kristallsaal

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Das Ausmaß des Verfahrens wird schon anhand der schieren Menge an Prozessakten deutlich: Dutzende Meter lang reihen sich die grauen Ordner im Kristallsaal der Kölner Messe aneinander, in dem das Verwaltungsgericht der Domstadt seit Dienstag über mehrere Klagen der Alternative für Deutschland (AfD) und ihrer Jugendorganisation gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz verhandelt. Im Prozess will die AfD unter anderem eine Einstufung der Gesamtpartei und der Jungen Alternative (JA) als Verdachtsfälle und eine damit einhergehende Beobachtung verhindern.

Im Kristallsaal, den das Gericht unter anderem aus Infektionsschutzgründen anmietete, finden normalerweise Feste und Karnevalssitzungen statt. Vor goldenen Leisten, spiegelnden Wandpaneelen und unter glitzernden Kronleuchtern sitzen nun ranghohe AfD-Politiker wie Bundesparteisprecher Tino Chrupalla, der EU-Parlamentarier Joachim Kuhs und Schatzmeister Carsten Hütter auf der einen und Verfassungsschützer auf der anderen Seite.

Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind vier Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BfV. Mit der ersten wendet sich die AfD gegen die Einordnung und Beobachtung des inzwischen offiziell aufgelösten sogenannten Flügels als Verdachtsfall beziehungsweise als gesichert rechtsextremistische Bestrebung.

Die Einstufung komme „insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Medienlandschaft einem Parteiverbot gleich“, begründete die AfD ihren Antrag. Das Verständnis des Flügels sei „maximal inklusiv und verfassungsrechtlich unbedenklich“.

Der mittlerweile aus der Partei ausgeschlossene Brandenburger Politiker Andreas Kalbitz sei der „einzige flügelnahe Politiker im Bundesvorstand“ gewesen. Die Behauptung, der Flügel sei weiterhin aktiv, sei zudem „haltlos“. Den Flügel gebe es nicht mehr.

Der Verfassungsschutz argumentierte hingegen, der Flügel habe auch nach seiner offiziellen Auflösung an einer ausländerfeindlichen Gesinnung festgehalten. Zwar gebe es keine Gewissheit, ob der Flügel noch existiere, der Rückschluss auf einen Fortbestand der Gruppe sei jedoch zulässig.

Mit Blick auf die Rechtmäßigkeit der Beobachtung argumentierte der Verfassungsschutz: Als Teilmenge einer Partei, die aus Landes-, Bundes- und EU-Ebene vertreten ist, habe der Flügel Einfluss auf Gesetzgebung und Parlamente gehabt. Das Verwaltungsgericht muss nun entscheiden, ob es genügend Anhaltspunkte für eine Beobachtung gab.

Mit der zweiten Klage wollen AfD und Junge Alternative die Einstufung und Beobachtung letzterer als Verdachtsfall verhindern. Eine solche Einstufung oder Behandlung dürfe zudem nicht öffentlich bekannt gegeben werden.

Nach Auffassung des Verfassungsschutzes finden sich bereits im sogenannten Deutschlandplan, dem Grundsatzprogramm der Jugendorganisation, Anhaltspunkte für ein „völkisches“ Verständnis und verfassungswidrige Bestrebungen. Darin werde etwa eine nächtliche Ausgangssperre für männliche Flüchtlinge gefordert. Die AfD führte an, dass es sich bei der JA um eine Jugendorganisation handle, die naturgemäß „weniger zurückhaltend“ vorgehe.

Mit einer dritten Klage wendet sich die AfD dagegen, die Gesamtpartei als Verdachtsfall oder gesichert rechtsextremistische Bestrebung einzuordnen, zu beobachten und dies öffentlich mitzuteilen. Eine vierte Klage zielt auf die Unterlassung der Angabe ab, dem völkisch-nationalistischen Flügel hätten früher und auch heute noch etwa 7000 Mitglieder angehört.

Bei einer Einstufung als Verdachtsfall dürfen geheimdienstliche Mittel zur Beobachtung eingesetzt werden. Darunter fallen etwa Observationen oder das Sammeln von Informationen über sogenannte V-Leute. Für das Verfahren wurden der Dienstag und der Mittwoch als Verhandlungstage angesetzt.

Wann das Gericht über die vier Klagen der AfD entscheidet, war unklar. Nach sechs Stunden waren zumindest die Verhandlungen zweier Klagen abgeschlossen. Von den hunderten repräsentativ aufgereihten Aktenordnern wurde bis dahin kein einziger aufgeschlagen.

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