Bis 2011 mussten Jahr für Jahr zehntausende junge Männer „zum Bund“. Oft direkt nach dem Schulabschluss rückten sie in die Kasernen ein. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Wehrpflicht inzwischen ausgesetzt. Doch mit dem Ukraine-Krieg ist die Debatte um eine Wiedereinführung neu entbrannt. Oft wird dabei für eine allgemeine Dienstpflicht plädiert, die nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch in sozialen Einrichtungen abgeleistet werden könnte.
Wehrpflicht nach dem Zweiten Weltkrieg
In der Bundesrepublik galt eine allgemeine Wehrpflicht nach der Wiederbewaffnung ab 1956. Sie musste grundsätzlich von allen Männern ab 18 Jahren abgeleistet werden. Im Grundgesetz wurde damals aber auch das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes verankert. Betroffene mussten einen Wehrersatzdienst etwa in Krankenhäusern oder Behinderteneinrichtungen leisten. In der DDR war eine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht möglich. Wer keinen Dienst an der Waffe leisten wollte, wurde als „Bausoldat“ eingesetzt.
Aussetzung der Wehrpflicht
Nach dem Ende des Kalten Krieges benötigte die Bundeswehr deutlich weniger Soldaten. Die Regel-Wehrdienstzeit wurde ab 1990 von 15 auf schließlich nur noch neun Monate bis zum Jahr 2010 verkürzt. Dennoch wurden immer weniger Wehrpflichtige eingezogen. Dies schaffte ein Gerechtigkeitsproblem, weil manche zum Bund mussten und andere nicht.
Mit Blick auf einen angestrebten Wandel der Bundeswehr zu einer „hochprofessionellen“, aber deutlich verkleinerten Berufsarmee argumentierte 2010 der damalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), dass die Armee kaum noch Kapazitäten habe, Rekruten auszubilden. Die Wehrpflicht wurde dann zum 1. Juli 2011 ausgesetzt – aber nicht abgeschafft. Sie gilt nach Paragraf 2 des Wehrpflichtgesetzes weiter „im Spannungs- oder Verteidigungsfall“. Diese müssten im Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden.
Freiwilliger Wehrdienst und Bundesfreiwilligendienst
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wurde ein freiwilliger Wehrdienst ab 17 Jahren eingeführt. Er kann zwischen sieben und 23 Monate dauern. Die Bundeswehr sieht darin ein „‚Kennenlernen‘ der Truppe und des Soldatseins“ und hofft, dass Teilnehmer dann bleiben.
Als Alternative zum Zivildienst bei Kriegsdienstverweigerung wurde 2011 der Bundesfreiwilligendienst aus der Taufe gehoben. Er wird in der Regel für zwölf Monate geleistet. Betätigungsfelder sind Einrichtungen im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich oder im Sport, bei der Integration sowie im Zivil- und Katastrophenschutz.
Allgemeine Dienstpflicht
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der angekündigten Stärkung der Bundeswehr gibt es aus Union und SPD wieder Forderungen, eine allgemeine Dienstpflicht zu diskutieren. „Ein solcher Dienst würde sich nicht auf die Bundeswehr beschränken, sondern auch den Pflege- und Sozialbereich sowie THW, Feuerwehr oder Vereine berücksichtigen“, sagte der CDU-Vizevorsitzende Carsten Linnemann der „Bild“-Zeitung. Für ihre Befürworter könnte die Dienstpflicht dazu führen, dass sich mehr junge Menschen für eine dauerhafte Tätigkeit bei der Bundeswehr entscheiden.
Bei der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht stellt sich eine Reihe rechtlicher Fragen. Nötig wäre voraussichtlich eine Grundgesetzänderung. Darüber hinaus müsste eine bundesweite Infrastruktur für die Organisation der Dienstpflicht aufgebaut werden.